An Aktualität nicht zu überbieten. Stoppok und eine gut aufgelegte Band verbreiten mit Operation 17 im Pavillon Hannover satirisch nachdenkliche, handwerklich solide Songs.
Mit eingängiger Musik, die schöne wie bissige Texte transportiert. In seinem rot-schwarz karierten Anzug, der jedem neuen Fan signalisiert: Hier herrscht ein nonkonformer Bandleader, der zu dem steht, was er singt. Es ist das, was von ihm erwartet wird, denn eine gewisse Portion Humor ist die Basis von Verständnis und Offenheit der Themen gegenüber, die uns Stefan Stoppok, Reggie Worthy, Wally Ingram und Sebel nahe bringen wollen. Der geneigte Zuhörer erhält ein Spiegelbild des Alltags, in dem er sich wiederfindet, ohne das Gesicht zu verlieren. Eine Portion Selbstironie, um den Abend genießen zu können, sollte wie Stoppi jeder mitbringen. Die Titel der neuen 17. Scheibe lassen viel Spielraum im Genre Blues-Rock mit Weltenbummler-Einschlag. Das neueste Werk „Operation 17“ wird ergänzt um einige alte Titel, und so gibt es auf der ausgewogenen Setlist: PLANLOS DURCH DAS ALL, als gelungenen Auftakt. Der wird durch MAN WEISS ES NICHT ergänzt – und das Eis ist gebrochen. Und siehe da: Das Publikum wird beweglich!
NICHT BESSER KOMMEN KÖNNEN ist der Start in einen Dialog mit dem Publikum. Am Donnerstagabend im Pavillon Hannover hätte es auch nicht besser kommen können, denn das Publikum nimmt den Ball direkt auf: Jetzt folgt heißer Rock mit Bluespassagen. Wer Gitarren-Riffs mag, wird nicht enttäuscht. Die Sammlung der Gitarren hilft, auch wenn mal eine Seite reißt. Mit Galgenhumor unter Gejohle wird mit neuer Ausstattung der Song beendet. OH WELL ist eben prädestiniert für kleine Unfälle. FRISS DEN FISCH steht als Synonym für „Was Du Dir eingebrockt hast, löffel‘ auch selbst wieder aus“.
Großartige Stimmung!
Die nachdenklicheren Menschen fragen sich – inspiriert von einem ruhigeren Einwand – welchen WEG HIER RAUS es gibt. Was natürlich nicht das grandiose Konzert meint. TANZ ist eine Abrechnung mit dem Alltagstrott und der Anonymität der heutigen kommerziellen und gefühlskalten Welt, in der jeder nur seinen Vorteil sucht. Das Publikum singt und ist fasziniert. Der geneigte Beobachter sieht in den Gesichtern der Fans die gedachten Bilder der Menschen.
Der 60-jährige Multiinstrumentalist zeigt an diesem Abend, was er in seinem reichhaltigen Schatz hat. Die Stimmung steigt und das Publikum ist beschwingt. Eigenwilliges Publikum mit offenen Augen findet Songwriter mit Stil. Tugenden wie Ehrlichkeit, Kritikfähigkeit und Lust an gutem Rock finden an diesem Abend ihr Zuhause. Die zahlreichen Ehrungen der deutschen Musikszene stehen als Referenz in der Vita der Band und zeigen, dass auch diese Sorte Persönlichkeiten ihre Anerkennung und Gehör finden. Das Publikum des Pavillon Hannovers ist mittlerweile in der Verzückung des späteren Konzertabends angekommen. Die Dynamik der Band trägt ihren Teil zum gelungenen Abend bei. Der feinsinnige Zuhörer ist erfreut über einfachen, eingängigen Rock, der die Realität über das Ohr ins Bewusstsein des Hirns tröpfeln lässt. Herrlich, denn die Vereinfachung der kritischen Punkte im Weltgeschehen machen es für alle erträglicher.
Es liegt ein Prickeln in der Luft, nicht heiß, sondern wissend. Ergriffen. Das Statement zu Trump fehlt nicht und passend folgt der Song SCHEIßE AM SCHUH. Das macht Spaß, benötigt jedoch etwas intellektuellen Geist, um den Zusammenhang zu verstehen. Die Party ist mit ÄRGER voll in Fahrt. Es ist einfach Stoppoks Wahrheit, die Menschen anzündet: Der Frontmann spricht einfach Themen aus, die jeder mit sich herum trägt. Irgendwie hat man das Gefühl, dass gerade ein guter Freund am Küchentisch gegenüber sitzt und bei einer Flasche Rotwein das Herz ausschüttet. WIE TIEF KANN MAN SEHN bestärkt dieses Gefühl umso mehr und erzeugt eine andächtige Stimmung.
Durch die Stimme von Sebel wird der Song Lied vom Allein sein eröffnet. Freundschaft wird betont, Männerfreundschaften erneuert. Jimmy Hendrix wird in dem mitreißenden Song PURPLE HAZE der Respekt aller Freunde guter Gitarrensolos zuteil. . Der Abend könnte endlos so weitergehen. Was für ein Sound! Reggie Worthy beherrscht neben der Gitarre auch hervorragend das Singen dieses Songs. Wow! Wieder im Deutschrock gelandet, holt ES LIEGT AUF DER HAND den noch schwelgendem Zuhörer etwas zu schnell auf den Boden des Hier und Jetzt zurück. AUF FESTEM GRUND wird mit einem fesselnden Solo von Reggie am Bass mit Gejohle und Geklatsche gefeiert. Bereit für die nächste Gesellschaftskritik: MEIN HERZ HAT DAMIT NIX ZU TUN ist eine Abrechnung mit den heutigen Unterhaltungsmedien und der nicht mehr vorhandenen Priorisierung von tatsächlich wichtigen Nachrichten durch die Medien. Die ernste Stimmung wird durch die Pilgerreise nach LA COMPOSTELLA wieder aufgebrochen. Das Thema Umwelt mit einer Portion Zynismus, dass zieht bei den Anwesenden immer. Das ist der Mix des Abends, denn es fühlt sich gut an, dieser Wechsel zwischen hart und weich. Klartext und persönliche Gefühle. Das Publikum ist zwischendurch immer wieder geflasht. Mit NIX PASSIERT und Zwei WUNDERSCHÖNE AUGEN wird der Abend vorerst beendet. Zum Ende wird die Stimmung ausgelassen, die Fans verlangen nach mehr und werden nicht enttäuscht. Einer der herausragenden deutschen Songwriter verabschiedet sich nach einem aufschlussreichen Abend stilecht mit der Schlussparade WILLI UND GERD. Doch es kommt noch besser: Die Zugabe wird mit den Titeln ALLES KLAR und DUMPFBACKE abgerundet, inklusive einem Wahnsinnssolo von Sebel an der Hammondorgel. Ein Ohrenschmaus zum Abschluss.
Fazit: Gelungen und zu empfehlen!
(CK)
Tracks:
Planlos durch das All
Man weiß es nicht
nicht besser kommen können
Oh Well
Friss den Fisch
1 Weg hier raus
Tanz
Scheiße am Schuh
Ärger
Wie tief kann man sehn
Sebel sings (i don’t know wich one by now)
Purple Haze
Es liegt auf der Hand
Auf festem Grund
Damit nix zu tun
La Kompostella
Nix passiert
Rausch ab
2 Wunderschöne Augen
Alles Klar
Dumpfbacke
Willi und Gerd