Der Titel seines jüngsten Albums ist Programm für seine rund zweieinhalbstündige Show: Explosive live! steht in großen Lettern auf einer 360-Grad-Leinwand. Und dieser Abend des 27. Novembers bringt so einiges hervor: Feuerfontänen (rund um die mittig in der Tui Arena platzierten, drehbaren Bühne), Tränen der Rührung (ausschließlich beim weiblichen Publikum), aber in erster Linie großartige Musik von großartigen Musikern.
Unterwegs ist der Teufelsgeiger mit der Neuen Philharmonie Frankfurt und Tänzern des Deutschen Fernsehballetts, die allesamt allerdings mehr Staffage sind als dass sie tragende Rollen haben an diesem Abend. Anders hingegen die Band, die auf der rotierenden Bühne Platz genommen hat: Diese Musiker marschieren sternförmig aus allen Ecken der Arena zur Mitte – und sie zelebrieren gemeinsam mit Garrett die Show. Irgendwann bekommt jeder sein Solo. Allen voran sein langjähriger Gitarrist und Arrangeur Franck van der Heijden, mit dem sich Garrett zu vorgerückter Stunde ein musikalisches Duell liefern wird – die Antwort auf die Frage, ob nun elektrische Gitarre oder elektrische Violine die Königin der Instrumente ist, entscheidet der Geigenrebell in Sneakers charmant mit dem Satz: „Gute Musik.“
Da hatte er allerdings schon längst eine Hommage an Coldplays „Viva la vida“ gefeiert oder beim Titelsong von „Ghostbusters“ einen überdimensionalen Marshmallow-Mann im Zuschauerraum wachsen lassen. Beim Titelsong vom Disney-Film „Frozen“ rieseln Schneeflöckchen über die Leinwand, um kurz darauf vom Rock’n’Roll Led Zeppelins abgelöst zu werden.
Keine Frage: Garrett mag die Gegensätze. Sein Crossover ist sein Stil. Klassik? Rock’n’Roll? Da ist nichts Widersprüchliches. Das gehört zusammen. Und das geht zusammen. Da gibt es einen winzigen Ausflug in die Klassik: Beethovens Fünfte, Bachs d-Moll-Toccata, Tschaikowskis Klavierkonzert. Doch gefühlt ist es so: Das ist die musikalische Heimat des David Garrett. Und da wächst er über sich hinaus. Auch wenn es sein selbst erklärtes Ziel ist, mit seinem Crossover aus E- und U-Musik Menschen erreichen zu wollen, die sonst mit Klassik eher nichts am Hut haben. Rund 8000 Menschen dieser Zielgruppe hat Garrett an diesem Abend sichtlich in seinen Bann gezogen. Und so hebt er auch zu Sirtaki– und Walzerkängen an, streift zu „You are my Inspiration“ verträumt lächelnd durch Publikumsreihen (um sich danach prompt Lippenstift von der Wange zu wischen), zitiert Rage against the Machine mit „In the name of“ („Lasst die Bude brennen!“) oder widmet dem verstorbenen Sänger Prince seine Interpretation von „Purple Rain“ und fährt auf einem Hubpodest symbolisch ein Stück gen Himmel.
Einen nicht unerheblichen Teil der Show nehmen jedoch auch die eigenen Kompositionen ein: „Dangerous“, „Adventure Island“, „How many times“ (auf dem Album singt Xavier Naidoo, auf der Bühne übernimmt Sängerin Ethida dessen Part) und der Titelsong des Albums „Explosive“ – jede Menge Lichteffekte, Pyrotechnik aller Art und der Charme des Teufelsgeigers mit dem Dreitagebart tragen diesen Abend ebenso wie die Komposition seiner Schwester: „Marathon“. Das alles lebt der Mann auf der Bühne, der einst als schnellster Geiger der Welt im Guinessbuch der Rekorde stand, mit unvergleichlichem Charme, munter plaudernd – mit virtuoser Leichtigkeit und brillanter Arbeit mit dem Bogen. Und verabschiedet sich mit John Miles‚ „Music“ und zitiert: „Music was my first love. And it will be my last“.
Eingerahmt in weitere Feuerfontänen, hat nach diesem großartigen Abend niemand Zweifel.
(km)
Fotos von David Garrett auf musikmag.de: 2013 2012 2011 2010