Hörnchenalarm im Capitol
Wikingerhelme: Wippend aus Plüsch. Aufrechtes Plastik zum Drehen. Blinkend rot. Oder sonst wie beleuchtet wie ein Tannenbaum. Zum Abschied des Jahres 2015 trägt Hannover Hörnchen. Das muss so bei einer Bagalutenwiehnacht.
„Midde Band“ betritt der kleine Klaus die Bühne, die zuvor die Rubber Chukks schon gut aufgeheizt haben mit gutem, handgemachtem Rockabilly. Bei Songs wie „Kill your Neighbour“ und Cover-Nummern von Soft Cell bis AC/DC fliegen die Schweißperlen waagerecht über die Bühne bis ins Publikum, das tatsächlich nach Zugaben verlangt – und auch bekommt. Schon die erste Runde verausgabt hatte sich da Drummer Stefan Lehmann, der seit fünf Jahren zu Torfrock gehört und den Rubber Chukks ordentlich Support bietet.
Als dann die Torkrocker die Bühne betreten, passiert im Publikum, dass sich eigentlich schon gut warm getanzt hatte, erstmal: nichts. Wenig. „Summertied Blues“ oder „Hey Joe“: Torfrock sind da. Das Publikum ist es auch. Aber fast scheint es, als wollte der Funke noch nicht recht überspringen. Alles ist bestimmt wie immer.
Da brauchte es schon das eine oder andere Weihnachtsgedicht, um die Hannoveraner wieder aus der Reserve zu locken: „Wir hören noch nicht auf und geben noch einen drauf“, holt dann Frontmann Klaus Büchner zu tiefschürfender Prosa im Büttenreden-Tonfall aus, damit Klassiker wie „Dezibel“ und „Boxer“ dann endlich das Herz der Niedersachsen etwas erwärmen. Dem folgen „zwei Songs, die von der Seefahrt handeln. Wir fangen an mit der Ostsee und gehen dann weiter zur Nordsee“, huldigen die Einwohner des fiktiven Torfmoorholms ihrer platten Heimat im hohen Norden, dem zu fortgeschrittener Stunde weitere Hommagen wie „Schleswig-Holstein“ oder „Schimmelreiter“ folgen.
Betriebstemperatur hat Hannover spätestens dann erreicht, als es „Beinhart“ durchs Capitol prasselte: Da singt das Publikum textsicher mit. Und auch die Herren auf der Bühne werden endlich warm – auch wenn man von einer atemberaubenden Bühnenshow meilenweit entfernt ist. Torfrock sind Kult, weil sie Torfrock sind. Das ist ein Geheimnis für Eingeweihte.
Mit Presslufthammer-„Bernhard“ und „Volle Granate, Renate“ wollen sich die Torfrocker dann tatsächlich verabschieden. Aber natürlich nicht, ohne als Zugabe den „Fischmarkt“ anzustimmen. Traditionsgemäß holt die Band auch ihren Support immer nochmal auf die Bühne. Gemeinsam mit den Rubber Chukks intonieren die Helden der Hörnchen dieses Mal „Das Reh“ zur Freude des Publikums. Hannover hebt zum Chor an, um schließlich von „Karola“ in den lauen Dezemberabend geschickt zu werden.
(km)