Zum Mittwoch / zum Donnerstag / zum Samstag
Der Freitag begann etwas schleppend. Das Wetter war schön, doch unverkennbar braute sich etwas zusammen. Der frühe Vogel konnte sich ein Bild And Then She Came machen. Nach 3-jähriger Abstinenz kehrten die Krypteria-Mitglieder auf die Bühne zurück. Aus dem Symphonic Metal war Modern Rock geworden und viele Zuschauer fanden sich ein, um sich von Sängerin Ji-In Cho, Bassist Frank Stumvoll, Drummer Michael S.C. Kuschnerus und Gitarrist Olli Singer überzeugen zu lassen. Die Kameras lieben die Band und umschwärmen sie wie die Mücken das Licht. Der neue Sound klang bereits auf Spotify erstaunlich gut. Völlig losgelöst von Krypteria-Hintergedanken tönte alles jung und frisch. Alles richtig gemacht, würde ich sagen.
Die weitere Frühstücks-Begleitmusik bestand aus Trash Metal von Dust Bolt, die den ersten Circle Pit des Tages für sich gewinnen konnten und Twilight Force, die epischen Power Metal aus Schweden mitbrachten.
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Nach den Suicidal Angels erwartete ein recht überschauliches Publikum die nordische Pagan- und Folk-Metal-Band Kampfar. Doch das beirrte die Norweger nicht im geringsten und mit großem Einsatz bewiesen sie, was eine gute Band ausmachte. Nicht die Anzahl der Fans, sondern die Treue jedes Einzelnen und die Qualität der Band auf der Bühne, die für diese Fans immer alles gibt. So wurde von beiden Seiten zu brandneuen Songs wie „Tornekratt“ als auch zu dem älteren Stück „Mylder“. Leider verließ die Band 5 Minuten zu früh die Stage und auch die Zugabenrufe aus dem Publikum stießen auf taube Ohren.
Zeitsprung. 2 Stunden später. Es ist allseits bekannt, dass die Gentlemen von Coppelius stets für große Unterhaltung sorgen. So war es nicht verwunderlich, dass sich eine ansehnliche Menge vor der Dark Stage versammelt hatte, um dem Spektakel beizuwohnen. Die Herren gaben sich bereits im vergangenen Jahr die Ehre. Viel geändert hatte sich nicht. Gleich zu Beginn mit „Bitten Danken Petitieren“ sowie in den folgenden „Der Luftschiffharpunist“ und „I Get Used To It“ war Qualität von Kontrabass, Cello, Oboe, Klarinette und Schlagzeug einmal mehr grandios. Auch die stimmliche Untermalung sowie die Konversationen ließen keine Wünsche offen. Bastille kam nicht umhin, den offenbar schmutzigen Bühnenscheinwerfer mit einem Tuch zu säubern und polieren. Auch eine Coverversion von The Inchtabokatables „Rightful King“, bei deren Abschiedskonzert die Band damals erste Erfolge feierte, fand seinen Weg auf die Setlist. Und noch eine Coverversion, die wahrscheinlich deutlich bekannter war, erstaunte die Zuschauer. Iron Maidens „Phantom Of The Opera“ in neuer Interpretation war nicht nur etwas für Fans von Coppelius. Kurz ertönte ein kreischendes Geräusch, das in die Ohren schnitt wie eine Kreissäge. Coppelius hielten kurz inne und betrachteten empört die Rock Stage, auf der gerade Axxis ihren Soundcheck ablegten und verantwortlich für die Störung waren. Doch da sich Coppelius gerade nicht mitten in einem Song befanden wurde nochmal ein Auge zugedrückt. Die Band verstand es mit Witz, Charme und gutem Benehmen die Menge für sich zu gewinnen. Mit Sicherheit nicht nur für Fans großes Kino mit enormem Unterhaltungswert. Gefühlt zog sich das Ganze recht lange hin, doch das Publikum sprang gut darauf an. Weiter ging es dann mit „Touch The Rainbow“ mit vollem Körpereinsatz von Bernhard.
In der Zwischenzeit hatte der Wind etwas zugenommen und die Zeichen standen auf Regen. Während das Unwetter nahte erklang passenderweise ein atmosphärisches Intro mit Gesang in Gälisch, bevor Primordial die Dark Stage übernahmen. „We are Primordial from the Republic of Ireland!“ tönte es den Zuschauern entgegen und eine bedrohliche und gewaltige Stimmung legte sich über das Rockharz als die Musiker mit „Where Greater Men Have Fallen“ loslegten. Sänger Alan „Naihmass Nemtheanga“ Averill sah mit seiner schwarzweißen Bemalung und seiner fransigen Kapuze zwar aus als habe ein riesiger Mutantenvogel auf seinen Kopf gepupst, doch seine Stimme erklang voll und klar. Vom ersten Ton an hatte er die Fans in seiner Gewalt, die ihm die Hände in Pommesgabel– oder Faustformation entgegenstreckten. Anscheinend hatte auch das Unwetter großen Respekt vor dem was auf der Bühne geschah und ergriff auf der Stelle die Flucht. Schnell warf es noch ein paar feige Tröpflein ab und kratzte dann ganz fix die Kurve. Die Bühnenpräsenz von Alan war umwerfend. Songs wie „No Grave Deep Enough“, „As Rome Burns“ oder „Empire Falls“ wurden vom Publikum gierig aufgenommen. Alan untermalte seinen Gesang mit Gesichtsakrobatik und zog seine Show überzeugend durch.
Doch kaum waren Primordial verschwunden gab es etwas Regen bei Kärbholz. Die Stimmung blieb jedoch ungetrübt und ein weiteres Highlight des Tages nahte. Satyricon feierten dieses Jahr das 20jährige Albumjubiläum von „Nemesis Divina“. Leider war es für eine Band wie Satyricon noch viel zu hell, doch die Nebelmaschine und das Intro sorgten zumindest ein bisschen für mystische Stimmung. Mit „The Dawn Of A New Age“ jagten die Norweger Schauer über die Rücken. Der Regen konnte es nicht sein, der hatte schließlich wieder aufgehört und es wurde wieder heiß. Die Hitze kam aber nicht nur vom Himmel: auch Satyricon sorgten für ein Höllenfeuer on Stage. Aufgrund des Jubiläums bestand die Setlist aus vielen Songs des älteren Albums „Nemesis Divina“. Das Publikum zeigte sich verhalten. Offensichtlich hatte es neueres Material erwartet. Sänger Sigurd „Satyr“ Wongravens Mikrofonständer, der dem „Y“ des Bandlogos nachempfunden war und wie ein gespaltener Teufelsschwanz wirkte, prangte wie eine unheilverkündendes Monument über den Köpfen der Zuschauer. Von „Du Som Hater Gud“ und „Immortaly Passion“ gelangte die Band irgendwann zu einem neueren Song mit „Mother North“. Und siehe da, das Publikum regte sich und brachte Satyricon endlich den wohlverdienten Respekt und Zuspruch entgegen. Und ab da steigerte sich die Stimmung unaufhaltsam. Leider blieben von da an auch nur noch 3 Songs auf der Setlist übrig. Bei dem letzten Hit „K.I.N.G.“ brodelte der Pulk und bereitete der Band einen umjubelten Abschluss.
Nach dieser Düsternis, die aus Norwegens tiefsten Wäldern gekrochen zu sein schien, war man doch froh über eine kleine Aufmunterung. Obwohl „klein“ ein sehr untertriebenes Wort ist für die Band Knorkator, bei denen das Wort bodenlose Übertreibung und nochmal einen daraufgesetzt das Bandmotto zu sein schien.
Stilecht wie immer erschien Sänger Stumpen in einer knallpinken Lackpant. Punkt. Sonst nichts. Punkt. Nicht einmal Schuhe. Auch Alf Ator hätte mit seiner kleinen Modenshow sicher ein Foto von Heidi bekommen. Im weißen bodenlangen Gewand war er bestens gekleidet für einen schönen Sonnenuntergang in Ballenstedt.
Langsam führten Knorkator mit dem ruhigeren „Alter Mann“ in ihren Wahnsinn ein. Doch die Ruhe war nur angetäuscht. Die Band legte danach richtig los und Stumpen war nicht mehr aufzuhalten. Akrobatische Verrenkungen, dass die Füße nur so in die Luft flogen und irrsinnige Grimassen untermalten Songs wie „Ding Inne Schnauze“ oder „Franz Hose“. Derweil düste Alf mit seinem mobilen Keyboard auf Rädern, das eigentlich wie ein überdimensionaler Gehwagen und mit Sonnenschirm und Klimbim bestückt war, von links nach rechts und wieder zurück.
Mit der Ansage „Macht mal Menschenschmeißen!“ warf sich Stumpen mit Karacho in den Securitygraben und ab dem Zeitpunkt hatten die Securitys gut zu tun. Crowdsurfer schwebten unablässig über die Köpfe der übrigen Zuschauer während Stumpen weiter auf der Bühne rumhampelte und mit seinem Gezappel äußerst ansteckend wirkte. Da blieb kein Auge trocken vor lachen vor allem bei Aussagen wie „Wir sind hier weil wir Musik hassen!“ oder als Alf „All That She Wants“ von Ace Of Base zum Besten gab während Stumpen im Handstand mit den Füßen im Takt klatschte.
Gitarristin Jen Majura wurde auch höflich angekündigt. Optisch völlig außerhalb des Knorkator Konzeptes, machte sie doch jeden Scheiß mit.
Auf der Rock Stage nebenan wurden die Pyros getestet während Mädels mit ihrem Rollstuhl Crowdsurfen betrieben. Respekt. Und Stumpen zögerte nicht lange und beorderte die Mädels auf die Bühne. Während das auf die Bühne holen vollzogen wurde rülpste Alf’s Nachwuchs Tim Tom Ator „Böse“ ins Mikro. Nein er rülpste nicht wirklich, das ist nur Umgangssprache für Growlen, obwohl man sich das bei einem Knorkator Auftritt durchaus vorstellen könnte. Vielleicht bei der nächsten Show. Derweil schob Stumpen den Rollstuhl mit hoch schwingenden Beinen über die Bühne. Nachdem Tim Tom zu Ende performt hatte, verlangte Stumpen noch mehr Applaus, nur um Tim Tom eine Sekunde später mit den Worten „Und jetzt geh weg!“ von der Bühne zu werfen.
Weitere Songs über den alltäglichen Wahnsinn wie „Zähneputzen, Pullern Und Ab Ins Bett“, der übrigens Live-Premiere feierte, und „Wir Werden Alle Sterben“ bei dem auch die Mädels im Rollstuhl und Jen fleißig mitsangen, verlangten dem Publikum und seinen Lachmuskeln einiges ab.
Bei letzten Song „Ma Baker“ von Boney M bebte der Boden, Alf und Stumpen ließen sich auf eine Runde Federball auf der Bühne ein.
Im wahrsten Sinne des Wortes eine Wahnsinns-Show!
Zeit wieder ernster zu werden. Mit einem Glockenschlag wurde darauf folgend die Show von Saltatio Mortis eingeläutet. Zirkusmusik erklang und begleitete die Musiker während sie das das Rampenlicht betraten. Mit „Wo Sind Die Clowns?“ legte die Mittelalter-Rockband unter freudigem Zurufen des Publikums los. Den Klatschaufforderungen von Sänger Alea der Bescheidene wurde unverzüglich Folge geleistet und die Party, die Knorkator losgetreten hatte ging nahtlos weiter. Keine Frage, Songs wie „Wachstum Über Alles“, „Worte“ oder „Satans Fall“ sorgten für gute Laune. Die Feuershow wärmte und die Nacht hielt Einzug. Ich persönlich bin ja nicht so der Fan von Mittelalter Musik, doch dem Charisma der Musiker, der Show und der Atmosphäre konnte auch ich mich schwer entziehen und erwischte mich zwischendurch sogar kurz beim Mitklatschen des Taktes. Kein Wunder, dass Saltatio Mortis ziemlich erfolgreich waren und eine ordentliche Fanbase besaßen.
Bei den folgenden Band, einem Headliner des Tages, schieden sich offensichtlich die Geister. Eine ganze Horde verließ fluchtartig das Gelände und überließ das Feld vor der Rock Stage der sich aus der Gegenrichtung nähernden Masse Avantasia Fans. Ein riesiger Bühnenaufbau mit alternden steinernen Torbögen und schmiedeeisernen Geländern thronte vielversprechend im Rampenlicht. Mit dem ESC Vorentscheidssong „Mystery Of A Blood Red Rose“ überrannten die Musiker um Tobias Sammet sofort die Menge vor der Bühne. Das Stück, dass in seinem Stil stark an Meat Loaf erinnert (nur nicht ganz so cool – vielleicht gewann es deshalb nicht den Vorentscheid), setzte den Maßstab gleich hoch an. (Und wie es der Zufall so will, erfahre ich soeben von wikipedia, dass der Song auch ursprünglich mit Meat Loaf als Gastsänger angedacht war). Nach dem nächsten Song „Invoke The Machine“ wandte sich Tobias, der als großer Redner (AKA Sabbelbacke) bekannt ist, ans Publikum „bla bla bla… bla bla bla… oder soll ich noch mehr reden?!“. Der letzten Aussage folgte sofortige und einstimmige Ablehnung von Seiten des Publikums. Immerhin kennt der Herr seine Schwächen, verstand es sie humorvoll einzusetzen und fuhr statt mit dem Reden schwingen mit „Ghostlights“ fort. Stimmgewaltig, wie man es von Avantasia gewohnt ist rollte eine Melodienflut daher. Nach dem selbst betitelten „Avantasia“ wurde der erste Gastmusiker, dass große Vorbild von Tobias, vorgestellt. Bob Catley von Magnum performte „The Great Mystery“. Der Sensenmann auf dem Backdrop schien nach Catley zu greifen, doch dieser schlug sich wacker und bewies dass es noch lange nicht an der Zeit war von der Showbühne abzutreten.
Und auch der nächste Gastmusiker sorgte vor allem bei den Mädels der 90er für große Furore. Kein geringerer als Eric Martin von Mr. Big kam auf die Bühne gerannt und zeigte sich erstaunlich fit – körperlich als auch stimmlich. Die lange Mähne war leider oder zum Glück (?) einer relativ modischen Kurzhaarfrisur in Mittellänge, ach irgendwas!, gewichen und der rote Schal schien sein neues Markenzeichen zu sein. Jedenfalls sorgte „Dying For An Angel“ dafür, dass man „To Be With You“ erstmal vergaß und Eric Martin ein neues Gesicht anerkannte… für ca. 10 Minuten und dann hatte man wieder „To Be With You“ im Kopf… und das für den Rest der Nacht.
Die Nebelmaschine zauberte stimmungsvolle Atmosphäre auf die Bühne und ein weiterer Gastmusiker gab sich die Ehre. Ronnie Atkins Stimme – oder die Mikrofoneinstellung – waren im Vergleich zu den vorherigen Künstlern jedoch etwas leise und brüchig. Als dann eine „von Celine Dion geklaute“ Ballade folgte, war mein persönliches Pensum Avantasia erreicht. Ohne Zweifel sind die Musiker große Künstler und verstehen ihr Handwerk. Der Sound war umwerfend und auch optisch gab es genug Angebot. Doch als „Nicht-so-der-Fan-sondern-einfach-mal-gucken“ war mir das Ganze doch schnell über – wie bereits bei ihrem letzten Festivalauftritt, dem ich beiwohnte.
Somit entging mir allerdings Fleshgod Apocalypse, die ich gerne gesehen hätte. Doch 2 Stunden Spielzeit hielt ich einfach nicht aus, zumal es sich auch ziemlich abgekühlt hatte.
Kurz und knapp mit den Worten von Knorkator gesagt: „Zähne putzen, pullern, ab ins Bett!“
(MS)