Der Samstag startete noch träger als der Freitag Morgen. Es geht nichts über ein gemütliches Festival!
Der Mittwoch – der Donnerstag – der Freitag
Das dachten sich wohl viele, denn Rockdevilz begannen den Festivaltag auf der Rock Stage vor einer recht kleinen Menge. Doch das hinderte sie nicht daran ordentlich abzurocken. Herrlich ironisch foppte die Band mit einem Foto vom Publikum später auf facebook „Soso, Sachsen-Anhalt „Land der Frühaufsteher“? ;)“ wobei sie zugaben, dass es aber wirklich früh war. So einen Humor lobe ich mir und bereue es jetzt doch ein wenig nicht da gewesen zu sein.
So richtig voll wurde das Gelände erst zu Harpyie und den darauf folgenden Heldmaschine. Letztere formierten sich bekannter- oder nicht bekannterweise aus der ehemaligen Rammstein Coverband Völkerball. Die Vorbilder der Band sind an der Show als auch an den Songs unverkennbar. Bei „Collateral“ oder „Propaganda“ fühlten sich die Fans der Neuen Deutschen Härte angesprochen. Die Liveperformance war sehr unterhaltsam und die Spielqualität durchweg gut. Auch an Effekten mangelte es nicht. Ein postapokalyptische Geschirr mit Schulterklappen sandte Laserstrahlen aus – leider gingen dies aufgrund der Tageszeit in der Helligkeit verloren. Auch Mario, der das Geschirr nach dem Auftritt wieder hinter die Bühne brachte, erhielt brav seinen Applaus. Ob Lichtsäulen im Hintergrund oder ein als Arzt mit grotesk großer Spritze verkleideter René Anlauff, Heldmaschine waren bzw. sind sehenswert – es sei jedem NDH Anhänger ans Herz gelegt.
Zeit für etwas Warmes in den Bauch. Doch Essen für Vegetarier war diesmal etwas Mangelware. Natürlich gab es die grandiosen Burger von Birdman… aber nicht jeden Tag. Beim Döner gab es „vegetarischen“ Döner – nur mit Salat gefüllt – einfallslos. Die Kartoffelpuffer unglaublich fettig – da hatte ich tags zuvor schon Bauchschmerzen kassiert. Bei der Pommesbude (zu solch unkreativen Möglichkeiten griff ich bereits!) außerhalb des Infields war die Mayo aus. Wutentbrannt ging es zum Met Stand, den Hunger-Frust ersäufen – der hatte gänzlich GESCHLOSSEN! Beim Eiskaffee war das Vanilleeis aus und als die Lieferung kam gab es jeweils nur – gefühlt – einen Espressolöffel Eis pro Eiskaffee. Immerhin auf den Softeisstand war verlass. Vor diesem stand an diesem Wochenende eine Dauerschlange, die erst des Nachts kürzer zu werden schien und verzeichnete wahrscheinlich den Umsatz seines Lebens (auf den Tag umgerechnet). Hatte er sich auch verdient als mein Retter des Tages.
Aus Frust ging es erst mit Gloryhammer weiter. Doch diese behoben die miesepetrige Laune in Null Komma Nichts. Schottischer Fantasy-Kitsch-Metal in Superhelden-Spandex-Kostümen. Erinnerte mich irgendwie an die Grailknights. Mit viel Spaß – oder eher Blödsinn – steckten sie das Publikum von der ersten Sekunde an. Dankbar feierte die Menge jeden Witz und reckte Einhörner am Stiel in die Höhe. Als die „Noch ein Bier!“ Rufe aus den Fanreihen immer lauter wurden hielten Keyboarder Christopher Bowes und Bassist James Cartwright, der „King Of California“ nach dem selbiger Song betitelt war, dankbar einen Trink-Contest ab. Auch das Publikum hielt mit.
So gut gelaunt wechselte man zur Rock Stage, wo man etwas länger als gedacht auf Hämatom warten musste. Die Band kam einige Zeit nicht auf die Bühne und die Leute scharrten bereits mit den Hufen während noch am Drumkit rumhantiert wurde. Selbst die Security Grabenschlampen startete aus Langeweile das Crowdsurfen zur großen Begeisterung der Wartenden. Um 17.20 Uhr ertönte endlich das Intro zu „Wir Sind Gott“. Maskiert und angemalt erschienen die Musiker on stage und stiegen in den Song ein. Das Ausharren hatte sich gelohnt, Hämatom zeigten sich in Bestform. Funken sprühten aus dem langen Zipfel Bassist West’s Strumpfmaske während er den Propeller machte. Zum Glück gab es keine weiteren Zwischenfälle mehr außer kostenloser T-Shirt, die per riesiger 4-läufiger Shirt-Kanone von West in die Menge gefeuert wurden.
Leider konnte die verlorene Spielzeit nicht nachgeholte werden. Sänger Nord entschuldigte sich dafür und erklärte den Grund: technische Probleme. Was sonst. Aber das Festival war bis dato ziemlich reibungslos verlaufen, irgend eine Band musste ja die erste sein. Dafür durfte das Publikum zum Ende zwischen Songs „Alte Liebe Rostest Nicht“ und „Leck Mich“ wählen, da nicht mehr genügend Slot für beide war. Die Entscheidung war nun wirklich keine Überraschung. Zu „Leck Mich“ reckte die Masse vor der Bühne freudig die Mittelfinger in die Höhe, als sie dazu aufgefordert wurde und sangen lautstark mit „…leck mich, du Wichser, leck mich…“ – eine äußerst wirkungsvolle Frustbewältigungsgruppentherapie. Kurz und knapp aber mit viel Stimmung ging die Hämatom Show zu Ende.
Es folgte vierfache Power aus Finnland. Den Anfang machten Finntroll, die unverkennbar an ihren spitzen Troll-Ohren für große Stimmung sorgten. Es flogen die Papptabletts vom Bierstand wie Frisbees durch die Luft. Viele Fans hatten sich versammelt und zu Songs wie „Solslagan“ und „Trollhammaren“ wurden die Mähnen geschüttelt. Außer den spitzen Ohren gab es keine große Show, doch der Sound und vor allem die Lautstärke reichten vollkommen aus.
Und nahtlos ging es weiter mit Ensiferum. Das Publikum kam aus dem Mitfeiern nicht mehr raus. Mit „One Man Army“ zum Einstieg und einem wahnsinnig charismatischen und energiegeladenen Sami Hinkka am Bass sprang der Funke sofort auf die sowieso empfängliche Crowd über. Doch auch der Rest der Band zeigte sich von ihrer besten Seite und mit einer Setlist mit einer Mischung aus alten und neuen Stücken konnte nichts mehr schief gehen. Pits bildeten sich und die Hände wurden in die Höhe gestreckt, ob zu Pommesgabeln, Fäusten oder irgendetwas dazwischen. Es wurde überaus deutlich, dass Ensiferum einen guten Auftritt hingelegt hatten und die Menge zusammen mit Finntroll ausreichend auf die Landsmänner von Sonata Arctica vorbereitet hatten.
Und es war kaum zu glauben, aber zu Sonata Arctica schien die Stimmung noch weiter anzusteigen. Die Powermetal-Legenden brachten die Zuschauer zum kochen. Stellenweise zeigte sich Sänger Tony Kakko etwas verwirrt „… the next song is called… what is called?… anyway…“ doch dies brachte ihm nur noch mehr Sympathiepunkte ein. Aus vollem Halse wurde zu „The Wolves Die Young“, „Tallulah“ oder „The Cage“ mitgesungen. Tony schien sich sehr zu freuen und rief „This is it what keeps live music alive!“. Dem letzten Song „Don’t Say A Word“ folgte auch schon das Vodka Outro und Tony und seine Band wollten gar nicht von Bühne gehen. Etliche male verbeugten und bedankten sie sich, überwältigt von der jubelnden Menge.
Der letzte finnische Act des Rockharz 2016 bestand aus Childen Of Bodom. Meine Vorfreude zerbrach jäh. Dies war die erste Band, die ich an dem Festival hörte, bei der die Soundabmischung nicht perfekt war. Der Gesang von Alexi „Wildchild“ Laiho ging fast vollständig unter. Doch die unablässigen Schimpfworte bei den Ansagen zwischen den Songs kamen ungefiltert durch. Kein Satz ohne ein „Fuck“ oder ähnlichem Jargon kam von seinen Lippen. Auf keinen Fall die Schimpfworte waren es, die mich weggehen ließen ohne auch nur 15 Minuten der Show gesehen haben. Ganz und gar nicht. Aber eine Liveshow mit kaum zu hörendem Gesang war nichts für mich. Aber trotzdem ein verdammt guter Schnitt für die Soundtechniker!
Nach der nordischen Attacke ging es zurück ins Mittelalter. Gleich zu Beginn legten Subway To Sally mit „Mephisto“ los. Geigerin Ally Storch schwang ihr unglaublich langes Haar im Takt ohne sich dabei zu verspielen. Von Subway To Sally ist man ja gute Auftritte gewohnt und auch dieses mal stellten sie eine große Professionalität zur Schau ohne dabei unglaubwürdig oder routiniert zu wirken. Nach „Mitgift“ und „Grausame Schwester“ motivierte Sänger Eric Fish bei „Arme Ellen Schmitt“ das Publikum dazu fleißig auf und ab zu springen. Er machte es vor und das Publikum ging mit wie geheißen. Der Lichtshow und den Pyroeffekten wurde einiges abverlangt und mit einer in Rot getauchten Bühne und einem Schlagzeuggewitter von Drummer Simon Michael begann „Kleid Aus Rosen“. Stilecht erklang dann der für den Song typische Frauengesang bevor die gesamte Band einstieg. Kurz vor Ende des Stücks bat Eric Fish um Ruhe „…und jetzt mal Stille! Und jetzt ihr!“ – ein lauter Chor erklang, die Menge schien zu einer einzigen Stimme zu verschmelzen und sang den Refrain wieder und wieder. Ein Gänsehautmoment!
Auch wenn Eric Fishs Vocals oft schwer zu verstehen waren, tanzten und klatschten alle zu „Heiland“ mit. Und die Show hatte noch nicht mal ihren Höhepunkt erreicht, die Show bestand aus einem einzigen andauernden Höhepunkt. „Jahrein jahraus haben wir versucht dem Publikum das zählen beizubringen. Jetzt drehen wir das ganze um…!“ sprach Eric Fish und begann mit der Crowd von 7 rückwärts zu zählen. Natürlich folgte der Hit „Sieben“, der auf keinen Fall auf der Setlist fehlen durfte. Zum Schluss des Songs wollte Eric Fish gar nicht aufhören weiter zu zählen und die Fans unterstützten ihn dabei tatkräftig.
Ein Circle Pit und ordentlich Pyro gab es bei „Heldentanz“. Knallrotes Feuer flammte am Bühnenrand auf und mit einem großen Glitzerregen versprühenden Knall endete der Song.
Für die letzte Darbietung zückte Eric Fish die Schlangenbeschwörer- oder eher Publikumsbeschwörerflöte aus und düdelte eine Melodie, die allen bekannt war, ob Fan oder nicht. Zum „Veitstanz“ wurde noch einmal die letzte Energiereserve aus der Masse gelockt. Und auch auf der Bühne flammten weiße kleine Flammen am Bühnenrand, die Pyro setzte ein und beim letzten Ton regnete ein Sprühfeuerwerk herab.
Kein Wunder, dass die Leute vor der Bühne nach mehr schrien, während auf der Rock Stage ein riesiges Backdrop mit den Initialien von Powerwolf hochgezogen wurde. Obwohl mich dieses Backdrop immer noch an das Pennywise Logo erinnerte.
Doch tatsächlich ertönte plötzlich ein Dudelsack auf der Dark Stage, den Eric Fish selbst blies. „Seid ihr bereit?!“ erklang es aus den Lautsprechern „Dann streckt die Hände hoch!“. Ein Meer aus Händen erschien augenblicklich über den Köpfen der Menge und Subway To Sally gab als Zugabe „Julia und die Räuber“ zum Besten. Die erfreute Menge sang so laut mit, dass man fast keinen Eric Fish mehr für die Vocals benötigte. Nach dieser Zugabe war dann aber endgültig Schluss für Subway To Sally.
Bevor es nun Zeit für Powerwolf war, kam wie jedes Jahr das Rockharz Team für die Abschlussrede auf die Bühne. Nach einer Danksagung an Besuche rund Crew gab es noch ein Foto fürs Poesiealbum vom Publikum.
Als der Aufmarsch nach einiger Weile von der Bühne war ging endlich das Licht aus und ein Intro erklang. Durch das halbtransparente Banner, das am Bühnenrand hinuntergelassen war konnte man die Bandmitglieder erahnen. Mit einem heftigen Pyroschwall fiel plötzlich das Banner und nahtlos schossen Powerwolf mit „Blessed & Possessed“ los. Die beiden Greywolfs an den Saitenintrumenten wechselten mit fliegenden Mähnen ihre Positionen. Falk Maria Schlegel hielt es nicht lange hinter seinem Keyboard aus und kam in der Mitte des Songs nach vorn an den Bühnenrand geschossen, um das sowieso schon in Wallung geratene Publikum noch mehr zu animieren. Eine Dampffontäne beendete den ersten Song und Sänger Attila sprach die den Fans bekannten und heiß ersehnten Worten „Seid ihr bereit die einzige Heavy Metal Messe Europas zu zelebrieren?!“. Mit „Coleus Sanctus“ ging es mit hohem Tempo weiter und bei „Amen & Attack“ wurde viel viel Pyro eingesetzt, wie es sich auch gehört. Falk Maria Schlegel schwang die Powerwolf Flagge zum Solo und Attila sang was das Zeug hielt.
Endlich kam auch das von den Fans erwartete „Herzlichen Dankeschön“ mit herrlich rumänischem Akzent von Attilas Lippen, eine Floskel die auf keinen Fall fehlen durfte. Er sprach seiner Metalfamilie seinen besten Dank aus und seine „Army Of The Night“ feuerte die Band zwischen den Songs immer wieder mit frenetischen „Powerwolf, Powerwolf…“ Rufen an.
Dann kam die Stunde der Geständnisse „Ich weiß langsam nicht mehr was ich erzählen soll!…“ beklagte sich Attlia „…Alle kennen die Storys der Songs schon.“ Doch nach Ermunterung des Publikums erzählte er dann doch wie ein Crewmitglied „in Pipi gestochen wurde von Biene.“ Diesem Mann widmete er den folgenden Song „Resurrection By Errection“. Sehr unterhaltsam die Herren Powerwolf, auch wenn Attila in den Höhen manchmal minimal abglitt.
Natürlich durfte auch die ständig zelebrierte Vor-Nachsing-Animation nicht fehlen. Dabei wurde so lange geübt, bis es saß. Erst war der Band das Publikum zu leise dann trafen sie die Töne nicht. Doch beim dritten Versuch gab es nichts mehr zu meckern. Attila entdeckte eine große freie Stelle in der Menge und fragte „Wenn ihr da vorne Loch macht, macht ihr dann Circle Pit? Müsst ihr mal rückwärts machen!“
Blutrotes Licht überflutete das Backdrop zu „Sanctified With Dynamite“ und Falk Maria Schlegel flitzte wieder nach vorne um zu posen und zu animieren, was ihm vortrefflich gelang. Obwohl die Zuschauer dafür keinen Anheizer mehr brauchten, sie waren schon von allein zu Höchstform aufgelaufen.
Und erneut gab es eine Mitsing-Action zum einstudieren. Doch diesmal gestaltete es sich als deutlich einfacher. Das „Hu – ha“ von „Werewolves Of Armenia“ konnte auch der unmusikalischste wiedergeben. Powerwolf bekamen nicht genug von der Bespaßung und zündeten zwei bengalische Fackeln für das „Kreuzfeuer“.
Attlia hob den Kelch und prostete mit den Worte „Ihr wisst doch was wir trinken…!“ den Leuten vor der Bühne zu. Ja die Menge wussten es und sangen laut „We Drink Your Blood“ mit während Attila sie zum springen animierte „…bringt Ballenstedt zum Beben!“.
Leider schlug dann auch schon die Stunde für die Abschlusspredigt. Dabei durfte der Weihrauchbehälter nicht fehlen. Attila erteilte die Absolution mit „Lupus Die“. Noch einmal gab es eine gewaltige Pyroattacke und Attila kugelte ausgelassen auf der Bühne umher. Es gab noch ein „Vielen Dankeschön!“ und ein Abschlussfoto dann zogen Powerwolf von dannen. Ein Spaßgarant, diese Band!
Es näherte sich dann auch schon das Ende des Festivals mit großen Schritten. Doch zuvor gab es noch zwei Acts zu begutachten. Auf der Dark Stage brannte rotes Feuer und mystische Musik verströmte eine Atmosphäre die alle verstummen ließ. Zwei Gestalten mit Fahnen und zwei mit Weihrauch kamen auf die Bühne. Mit einem großen Knall ging es dann plötzlich los. Pyros schossen in die Höhe und Tanzwut luden ein zu „Brot und Spiele“. Diesen Auftritt auf dem Rockharz 2016 schienen sich wenige entgehen zu lassen. Man hatte das Gefühl 80% der Festivalbesucher stünden vor der Bühne. „Einen wunderschönen guten Abend. Lasst uns durchdrehen. Heute haben wir Strom!“ spielte Sänger Teufel auf das letztjährige Festival an, bei dem es kurzzeitig einen Stromausfall bei ihrem Auftritt gegeben hatte. Bei „Ihr Wolltet Spaß“ wurde zum Spinett mitgeklatscht und zu „Meer“ schwangen die Hände der Menge hoch oben hin und her wie das Wogen des Meeres.
Teufel machte seinem Namen Ehre und schnitt Grimassen auf der Erde während die Musiker ihre Dudelsäcke spielten. Das Publikum ließ sich schnell anstecken von den mittelalterlichen Melodien und sang, feierte und klatschte.
Und wer nach dem Autritt von Tanzwut noch immer nicht genug hatte, konnte zu Versengold die letzte aufgestaute Energie abbauen. Bis spät in die Nacht ging es noch weiter.
Die Abreise gestaltete sich am Anfang zwar ein wenig träger als die Anreise doch trotzdem entging man einem Stau beim Festivalgelände wenn man es richtig anstellte. Das Rockharz verlief wie jedes Jahr ohne negative Zwischenfälle, friedlich und relaxt.
So ging das Rockharz 2016 seinem Ende zu; doch nur für dieses Jahr denn im nächsten Jahr öffnet Ballenstedt vom 05. – 08. Juli erneut seine Pforten und heißt die Festivalbesucher willkommen, wenn es heißt: Rockharz 2017.
(MS)