Zwischen Bass, Geige, Cello, Schlagzeug und jeder Menge Schweißperlen wird es ernst: „Eigentlich sind wir ja Entertainer und dazu da, für gute Laune zu sorgen“, sagt Letzte-Instanz-Sänger Holly Loose. „Aber wir sind auch hier, um Statements abzugeben.“ Bei diesen Worten öffnet er den Reißverschluss seiner Lederjacke. Zum Vorschein kommt ein T-Shirt, auf dem eine stilisierte USA-Flagge verziert ist mit den Worten „Liebe statt Krieg“. Da klatschen die Fans. Nicht zur Musik, und trotzdem mitten im Abschlusskonzert zur Morgenland-Tour, auf der die Band ihr 13. Studioalbum unters Volk bringt.
Dieses Album, das im 20. Jahr des Bandbestehens die Herzen der Fans erobert, ist ein Statement. Spätestens bei dem Titel „Mein Land“ ist klar: Es geht um ein Wachrütteln angesichts einer krisen- und kriegserschütterten Welt. Und nichts anderes will Sänger Holly Loose auch in diesem Moment auf der Bühne, wenn auch nur kurz. Die ganze Geschichte zu dem Song und dem Video dazu liest man am besten im offenen Brief des Frontmanns und Vaters auf der Internetseite der Band www.letzte-instanz.de/news nach.
Denn mehr als diese Andeutung gab es an diesem Abend nicht, doch gab sie diesem gut zwei Stunden dauernden Konzert eine Tiefe, die bei Plänkeleien wie „Was reimt sich auf ‚sein‘? B-I-E-R!“ eher nicht zu erwarten war. Da springt der bemützte Frontman beherzt von der Bühne, wie bestellt bekommt er einen Becher Gerstensaft in die Hand gedrückt und feiert mitten im Publikum. Und genau genommen ist, zum Glück oder trotzdem, dieses Konzert eine einzige Feier. Da gibt es Chorproben für Männer und Mädels. Da bekommt Heike von der Bahn ein Lob, da wird im Dreivierteltakt schön europäisch getanzt, da geht es ums Beschissenwerden und Arschlochsein.
Musikalisch bewegt sich die Band mit Titeln wie „Morgenland“, „Schwarz“ oder „Asche zu Gold“ vom jüngsten Album zurück zu Klassikern wie „Der Kuss“, „Maskenball“ oder „Flucht ins Glück“. Und das ist auch gut so, feiert die Band doch am 13. Oktober in Dresden ihren 20. Geburtstag, zusammen mit Zeraphine und Lord of the Lost. „Ich schaue ja auch gern zurück und nicht nur nach vorn“, sagt deshalb auch Cellist Benni Cellini. Der Mann, der einst einen halben Meter Dreadlocks zwischen seine Saiten schleuderte, wirkt mit seinem Kurzhaarschnitt fast bieder, liefert sich im Laufe des Abends mit M. Stolz an der Violine den einen oder anderen Schlagabtausch. Aufgebaut am linken und rechten Bühnenrand, arrangieren sie sich gemeinsam mit dem Sänger zu einem dynamischen Fronttrio. Überhaupt ist die gesamte Mannschaft gelöst-locker und mit großer Spielfreude bei der Sache und gibt ein eingespieltes, humorvolles Team. Dass von den Gründungsmitliedern von Letzte Instanz nur noch M. Stolz mit von der Partie ist, könnte man bei so viel Harmonie auf der Bühne an diesem Abend glatt übersehen.
Nicht zu überhören ist jedoch, dass sich die Band in zwischen sehr viel weiter entwickelt hat als das, wofür sie bis zur Jahrtausendwende noch stand: Mittelalter-Rock, der kaum zu unterscheiden war von Bands wie Subway to Sally oder In Extremo. Da ist es zwar einerseits kein Wunder, dass hartgesottene Fans „Rapunzel!“, „Rapunzel!“ skandieren, als es an die Zugaben ging. Andererseits hat die Version aus dem Jahr 2018 wenig mit dem Titel gemein, der das Album „Das Spiel“ zierte. Schlimm ist das alles gar nicht. Im Gegenteil. Wer nach 20 Jahren auf der Bühne solch eine Show abliefert, darf einfach weitermachen.
(km)