Tag 4: Samstag, 09.07.2022
Und schon ist wieder der letzte Tag. Diese Erkenntnis erschreckt einen bekanntlich bei jedem Festival erneut. Schon jetzt werden die ersten Zelte abgebrochen und für die Abfahrt am Abend verstaut, und der Satz „falls wir uns nicht mehr sehen“ wabert in Gesprächsfetzen umher.
Noch ist das Rockharz aber nicht vorüber! Storm Seeker freuen sich extremst, spielen zu dürfen, und starten bereits als erste Band ein Ruderboot, das sich sehen lassen kann. Nach Thomsen sind Obscurity an der Reihe und bieten Viking Metal mit deutschen Texten.
Die Überraschung des Wochenendes folgt in Form von April Art.
Die noch recht frische Band reißt mit ihrem modernen Alternative auf Anhieb mit und bringt das Rockharz-Publikum gehörig in Bewegung. Wenige Musiker:innen zeigen sich auf der Bühne so energetisch wie diese Truppe, die obendrein noch positive Messages verbreitet.
Dagegen wirken Ad Infititum mit ihrem Melodic/Symphonic Metal fast schon gediegen. Doch auch sie haben mit Fronterin Melissa Bonny ein Energiepaket am Start. Die Show wird hauptsächlich von ihr und ihrer vielseitigen Stimme getragen. Ektomorf gehen wiederum in die Vollen und prügeln mit ihren Riffs auf das Publikum ein. Ihr Groove, mit dem sie die Nacken der Fans zerlegen, ist eine willkommene Abwechslung und ihre rotzige Attitüde erfrischend. So fordert Fronter Zoltán Farkas autoritär zur Wall of Death auf und verlangt „open it! Bigger!“. Dieser Aufforderung kommt das Rockharz-Publikum nur allzu gerne nach. Anschließend darf mit Tankard Party gemacht werden, bevor es mit Unleashed wieder deathig wird. Das Headbangen läuft hier synchron, während die Gitarrenfraktion durch Mark und Bein gewittert. Doch auch hier kommt der Spaß nicht zu kurz, denn ein Besucher schwingt im Circle Pit eine Stange Lauch, die bald auch andere Zuschauer:innen erfreut.
Die melodischere Variante des Deaths bieten Insomnium. Die Finnen, ohne Gitarrist Ville Friman angereist, eröffnen mit „Valediction“ vom aktuellen Album „Heart Like A Grave“ und legen die Live-Klassiker „Mortal Share“ und „Ephemeral“ nach. Vor allem das Zusammenspiel der beiden Gitarristen Markus Vanhala und Jani Liimatainen erweist sich aufs Neue als echter Unterhaltungsfaktor. So wird auch das von allen erwartete „While We Sleep“ zu einem mitreißenden Kracher. Es folgen Betontod, bevor mit Exodus und Testament der thrashige Teil des Tages beginnt. Beide Bands liefern ein druckvolles und vor allem rasantes Set ab, dass die Nackenmuskulatur des Rockharz-Publikums abermals auf die Probe stellt und am Abreisetag für den ein oder anderen Muskelkater sorgen dürfte.
Zugegeben, die beste Band der Welt wird sich nicht ermitteln lassen, aber die meiste Band der Welt steht schon lange fest: Knorkator. Diese liefern ihren gewohnten Mix aus Absurdität und Stand-up-Comedy mit musikalischer Untermalung. Fronter Stumpen kann besonders stolz sein, denn seine Tochter ist bei einigen Stücken mit
dabei und macht ihre Sache ausgesprochen gut. Stumpen möchte „phrenetischen Applaus, mit der Betonung auf phrenetisch“, der ihm aber ohnehin sicher ist. Diesen ernten auch Eisbrecher, die mit „Verrückt“ loslegen und das Publikum damit von Anfang an für sich gewinnen. Zudem gibt es „Fehler machen Leute“, „Fakk“ und „Sturmfahrt“, das Alexx Wesselsky als Ballade beschreibt. „Nein Danke“ kündigt er mit „wir machen mit einfachen deutschen Worten weiter“ an und bringt das lyrische Konzept der Band damit auf den Punkt.
Vor dem Headliner Accept ist es wie in jedem Jahr Zeit für eine kurze Ansprache der Rockharz-Veranstalter:innen. Diese versammeln sich mit einem Teil der Crew auf der Bühne, um
sowohl dem Publikum als auch allen helfenden Händen zu danken. Dieses Jahr fällt die Ansprache naturgemäß noch emotionaler aus als zuvor. Mit etwas Verspätung treten
Accept schließlich ihr Headlinerset an und zerstören das, was bei den Besucher:innen noch an Nackenmuskulatur übrig ist. Im Anschluss wird es bei Eluveitie abermals emotional, denn sie verabschieden ihre Drehleier-Spielerin Michalina Malisz, die die Band nach rund sechs Jahren verlässt.
So geht ein weiteres Rockharz zu Ende, auf das Veranstalter:innen wie Besucher:innen drei Jahre lang hingefiebert haben. Wer hätte 2019 gedacht, dass wir erst ganze drei Jahre später wieder in den Genuss dieses Erlebnisses kommen würden? Die Entbehrung sollte nun aber der Vergangenheit angehören, der Vorverkauf für das Rockharz 2023 – übrigens das 30. Jubiläum – läuft bereits, und die bereits angekündigten Bands können sich sehen lassen: Destruction, Die Apokalyptischen Reiter, Equilibrium, Firkin, Hämatom, Lacuna Coil, Letzte Instanz, Lord Of The Lost, Paradise Lost, und Skáld. Wir fangen dann mal an, die Tage zu zählen.
(AQ)