Exklusivinterview mit Chris Bay von Freedom Call

FREEDOM CALL sind die Erfinder des Happy Metal und dabei in der harten Szene nicht ganz unumstritten. Sänger Chris Bay (CB) nahm sich die Zeit mit mir über das neue Album und mehr zu sprechen.

Stefan Peter (SP): Hallo, Chris ich freu mich das es geklappt hat mit dem Interview. Wie geht es Dir und was machst Du zur Zeit?

CB: Also ich freu mich auch und ja ich bin gerade recht aktiv, wir sind zur Zeit viel unterwegs, so morgen zum Beispiel in der Schweiz. Das bedarf immer einer gewissen Vorbereitung. Außerdem steht die Veröffentlichung der Live CD/ Blue-ray M.E.T.A.L. Fest an.
Da gilt es viel vorzubereiten, mit anderen Worten mir wird nicht langweilig.

SP: Die neue Live Scheibe ist ein gutes Stichwort, erzähl ein bisschen darüber.

CB: Das kann ich gern machen. Also es ist ja nicht das erste Live Album, dass wir veröffentlichen.

SP:  Stimmt, es ist das Dritte.

CB: Ja genau, aber diesmal ist alles anders.
Denn bei einer Live DVD muss immer viel vorbereitet werden, viel Technik und so weiter…Und diesmal wie gesagt war alles anders…wir haben spontan auf der Fahrt nach Pilsen beschlossen wir zeichnen unser Konzert dort auf.

SP: Es war also nicht geplant?

CB: Nein, wir dachten so wir machen ein paar Backstageberichte – Roadmovie und so weiter und dann wuchs die Idee, angefeuert von unserem Techniker Michael Spieß warum nehmen wir nicht die ganze Show auf.
Weil bei der heutigen Technik ist das recht einfach…Stick rein am digitalen Mischpult und los…naja und so haben wir das halt gemacht.
Aber es waren nicht nur professionelle Kameraleute am Start, sondern auch ganz viel Freunde und Bekannte die wir eingeladen haben, die haben dann mitgefilmt.

Und um genügend Material für weiteres Bonusmaterial und interessante Einblicke hinter die Kulissen zu bekommen, wurde zusätzlich unsere Show in der Regensburger ‚Eventhall Airport‘ aufgenommen.
Das Ergebnis ist ein bunt gemischter Querschnitt beider Konzerte und das Ergebnis ohne Drehbuch und große Vorbereitung denke ich kann sich durchaus sehen lassen…

SP:  Ihr seid  nächstes Jahr 25 Jahre am Start. In dieser langen Zeit gab es aber auch viel Gegenwind von Kritikern…
Nervt es dich, wenn die Leute euch als Party-, Pussy- oder Spaßband bezeichnen oder sagen, nee komm das ist kein Metal?

CB: Nö, nerven tut das überhaupt nicht, schließlich bringen wir ja den Leuten Spaß.
Es gibt wirklich schlimmere Sachen im Leben, als über gute Laune und positive Vibes zu singen.
Natürlich nur solange wir nicht ausschließlich darauf reduziert werden.
Es gibt ja durchaus auch eine ernste und melancholische Seite von FREEDOM CALL.
Außerdem habe ich nie behauptet das FREDDOM CALL Metal machen, das wurde uns von der Presse untergeschoben von wegen Power Metal oder Speed Metal Band oder was  auch immer.
Wir sind nicht angetreten die Musikwelt zu revolutionieren.

Mein musikalischer Charakter ist vielschichtig. Ich habe am musikalischen Gymnasium Erlangen das ich besuchen durfte, übrigens mit den Jungs vom JBO in einer Klasse viel über Musik gelernt und viele Seiten davon kennen lernen dürfen.
Und im  jugendlichen Alter hab ich viel Musik aus verschiedenen Sparten gehört, auch Jazz- obwohl ich das nicht wirklich mag, aber damals hat es mich fasziniert und  viel Popmusik und das hat mich sehr geprägt.
Und besonders Pop bringe ich gern bei FREEDOM CALL auch wenn das viele gern bemäkeln ein, versehen mit Doubel Bass und Gitarren und mache daraus Powermetal.

SP: Okay…

CB:  Weisst du unsere Leidenschaft ist hauptsächlich die Musik. Ich denke, dass wir uns mit unserem „Happy Metal“ ein mittlerweile eigenes Trademark geschaffen haben.
Wir werden sogar in den USA als die „Happiest Metal Band of the World“ gehandelt, wenn das mal kein Ritterschlag ist!
Wie Du ja bereits in deiner Fragen angedeutet hast, wird oft alles rund um die Musikrichtung Metal von der unwissenden Bevölkerung mit Attributen wie schwarz, böse, dunkel, aggressiv etc. versehen.
Da muss es doch schließlich jemanden geben, der diese naiven Vorurteile mal aus dem Weg räumt und das Gegenteil beweist.

Und genau diejenigen sind wir!

Auf der Bühne fühlen wir uns als Band am wohlsten und demnach können wir dort einfach so sein, wie wir nun mal sind. Wir arbeiten sehr hart an unserer Musik und betreiben das Ganze auch sehr seriös.
Allerdings nehmen wir uns als Personen nicht zu ernst, so dass wir eben unsere Leidenschaft gerne in einer humorvollen Art an den Mann bringen.

SP: Wie viel Einfluss nehmen deine Mitmusiker auf die Entstehung der Song?

CB: Also bis zu dem Album „Schadowking“ habe ich noch mit Mitbegründer der Band Daniel Zimmermann das Ding geschaukelt. Ich habe die Musik gemacht und Daniel vorwiegend die Texte, so war die Aufgabenverteilung.
Dann habe ich das Alles in Eigenregie gemacht. Aber dann hat Lars Rettkowitz, unser Gitarrist, sich immer mehr in das Schreiben von Songs eingebracht und auch ein paar tolle auch härtere Elemente was uns als Band gut tut und die sehr gut ankommen eingebracht.
Beim nächsten Album übrigens hat unser Francessco Ferraro auch Einfluss genommen auf neue Stücke.
Grundsätzlich  und das möchte ich noch mal betonen ist jede Idee in der Band willkommen.

SP: Mir ist aufgefallen ihr habt einen recht hohen Verschließ an Schlagzeugern. Wie kommt das?

CB: Lacht… Da hast du völlig recht. Seit 2019 haben wir tatsächlich keinen festen Drummer mehr, weil da haben die coronabedingt den Laden dicht gemacht und so haben wir entschieden, da wir nicht spielen konnten niemanden fest einzustellen. Aber wir werden demnächst mit einer Überraschung aufwarten…

SP : Da bin ich gespannt…

CB: …ich auch …lacht
Nee mal im Ernst Verschleiß ist nicht das richtige Wort…wir mögen uns noch alle, also kein böses Blut. Und außerdem haben wir einen Pool von 4 Trommlern, die bei uns im Wechsel spielen…hey, welche Band kann schon sagen wir haben vier Drummer, ist doch cool oder …Lacht….

SP: Könnt ihr inzwischen von eurer Musik leben, ich meine du hast mir 2005 gesagt, das wäre schön wenn es mal so sein sollte oder ist es eher ein zeitaufwendiges Hobby?

CB: Wir alle sind beruflich ausschließlich in musikalischen Bereichen tätig, die aber nicht nur die Band beinhalten.
FREEDOM CALL ist schon ein zeitintensives Unternehmen und wir sind viel auf Reisen.
Es wäre sehr schwierig, dies mit einem normalen festen Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Wir haben uns halt einfach zu dem Wahnsinn bekannt und ziehen das Ganze bedingungslos durch.

SP:  Du hast es auch mal Solo mit einem eignem Album probiert.

CB: Ja das ist richtig, auch schon wieder  fast 5 Jahre her. Ich bin damit auch viel unterwegs nur mit der Wandergitarre, das macht mir viel Spaß, ist aber keine Konkurrenz für FREEDOM CALL.

SP: Wie seid ihr auf den Namen FREEDOM CALL gekommen?

CB: Das ist unserem ersten Drummer, dem Daniel Zimmermann, zu verdanken. Wir saßen irgendwann beim Frühstück am Nürnberger Flughafen und da kam der damit um die Ecke. Das haben wir dann beibehalten.

SP: Ich habe euch schon auf einigen Konzerten erlebt…wobei in Kassel in der Goldgrube Anfang des Jahres höchstens 40 Leute waren….

CB: Das ist richtig…es war auch nur als Warm Up Konzert gedacht…aber du hat Recht eigentlich sollte man so einen Laden auch in der Woche voll bekommen.

SP: Aber und das fand ich gut ihr habt trotzdem mit viel Spaß éuer ganzes Set gespielt + Zugabe. Respekt!

Ja klar….wir wollen ja nicht die Leute bestrafen die gekommen sind, sondern die ärgern die Zuhause geblieben sind!

SP:Ist es für dich interessanter auf großen Bühnen zu spielen als in kleinen Clubs?

CB:  Das werde ich auch öfters gefragt. Vielleicht liegt ja genau darin die Würze, die ein Leben als Musiker so facettenreich und interessant macht.
Wenn ich jetzt natürlich behaupten würde, ich bevorzuge es, an einem Abend vor einer Handvoll Zuschauer zu spielen, wäre dies eher unglaubwürdig. Allerdings ist die Anzahl der Zuschauer oder die Größe der Halle absolut nicht ausschlaggebend für den Spaß und die Spiellaune, welche wir bei einem Konzert haben und rüberbringen wollen.
Open Air sind zum Beispiel  immer gut, obwohl auch kleinere Clubs ihren Charme haben.
Wir spielen manchmal in England in ganz kleinen Clubs, vor 80 oder 100 Personen, das ist echtes Face To Face. Da siehst jeden, da spielst für jeden einzelnen, das ist auch geil.
Da ist eben der Unterschied: Wenn du in Wacken spielst, dann  ist die Entfernung zum Publikum sehr groß.
Meist siehst dann nur eine oder zwei Person ansonsten ist das Publikum eher eine große Masse Mensch. Da fällt das Fokussieren einfach schwerer und das macht es unpersönlicher und man fühlt sich schon etwas einsam da oben. Es ist bei den grossen Shows so als ob du vor einer Fototapete stehest. Dann gehst von der Bühne und fragst dich, was hast du eigentlich gemacht?

SP: Hat man nach fast 25 Jahren auf der Bühne noch Lampenfieber vor der Show?

CB: Nein, aber ich bin sehr konzentriert im Vorfeld. Aber in kleinen Clubs ist die Anspannung schon größer…weil du eben das Publikum mit alle Reaktionen direkt siehst.

SP: Ich durfte euch erleben im From Hell in Erfurt, da hattet ihr Besuch von Wilfried Gliem von den Widecker Herzbuben und habt mit ihrem Song die Hütte gerockt. Warum spielt ihr dieses Nummer eigentlich nicht mehr?

CB: Ganz einfach die Lizenzrechte liegen bei RTL …also wir dürfen ihn gar nicht spielen… zum mindestens nicht so… Die wollen das nicht.
Übrigens haben die Herzbuben auch einen Song – „Warrios“   von uns in ihrer Version gespielt.
Was uns sehr stolz macht. Ich mein das sind richtige Stars, wie oft waren die im TV und so…und wir durften mit ihnen in einem kleinen Rockclub spielen…hee wie geil ist das denn?

SP: Konntest du dir vorstellen einige Songs auf deutsch zu machen?

CB: Ja in der Tat und hab ich  auch schon gemacht so um 1990. Da hab ich mal ein Projekt gestartet und nicht erschrecken das ging so Richtung PUR.
Es ist halt was ganz anderes, aber nö…ich würd das grundsätzlich nicht ablehnen so lange es keine ONKELZ Texte sind oder so….

SP: Bleibt dir abseits der Musik noch Zeit für Hobbys?

CB: Ja klar das muss sein… Also ich beschäftige mich nicht ausschließlich mit Musik und so…ich mach viel Sport, ich laufe, fahre Mountainbike und bin gern mit dem Motorradel unterwegs.

Außerdem wohne ich in einer sehr schönen Gegend in Oberfranken und ich kann hier viel wandern.

SP:Welche Musik hörst du privat?

CB: Sehr, sehr, sehr wenig …und dann wenn ich mal Lust hab auch mal Sachen wie Seal und kann das sehr genießen. Aber kaum Metal zu Hause…wenn man den ganzen Tag damit zu tun hat, muss man auch mal abschalten. Da brauch man keinen Doubel Bass und harte Gitarren zum Runterkommen, sondern geht es eher ruhig an.

SP: Kannst Du Noten lesen?

CB: Also ich habs auf dem Musischen Gymnasium gelernt und würde es mit viel Mühe auch hinbekommen…(Lacht)

SP: Kannst Du dir gut Texte merken? Ich mein Du arbeitest ohne Telepromter und so?

CB: Lacht…genau des wegen versinge ich immer wieder…nee im Ernst unsere Setlist ist nicht so lang und noch klappt das mit den Texten ganz gut.

SP: Was ist dein Lieblingssong von Fredom Call ?

CB: Uii das ist ne echt schwierige Frage. Vielleicht  vom letzen Album „Sailaway“ und  besonders die Songs die durch die Stimme getragen werden…ohne Chöre und fetten Double Bass.

SP: Wie entstand der Song „111“ Number of Angel?  Ist die Nummer Ernst gemeint oder eher Satire auf die 666?

CB: Die ist sogar sehr ernst gemeint ….Ich bin kein Esoteriker, falls du das jetzt denkst.
Aber die Zahl 111 verfolgt mich, bzw. läuft mir immer wieder über den Weg. Wir haben mal in der Schweiz eine Show gespielt und als wir auf die Bühne gingen, hing da eine große Uhr und es war 11:11 Uhr.
Oder ich habe ein Hotelzimmer gebucht und das hatte die Zimmernummer 111.
Auch die Master Of Light wurde am 11.11. veröffentlicht. Schon krass.
Dann hab ich mal recherchiert, was das ist und zum Schluss hin eben einen Song daraus gemacht.

SP: Hast Du eine Gesangsausbildung?

CB: Ja hab ich 4 Jahre bei einer Opernsängerin in Nürnberg.

SP: Was würdest du jungen Musikern raten?

CB: Lacht….Lasst es sein….und macht was anderes!
Weißt du als ich angefangen habe waren die Zeiten in diesem Geschäft noch andere, man hat CD’s verkauft und die Konzerte waren voll… Heute kennen die Leute  nur noch Streaming und auch die Läden sind nicht mehr gut gefüllt. Es ist halt schwer geworden, wenn man neu anfängt, aber ich drücke jedem der es versucht die Daumen.

SP: Wenn du nicht Musiker geworden wärest, was wärst Du dann?

CB: Also ich hab keine Ausbildung oder so, ich habe Abi und  Zivildienst gemacht und dann bin ich Rockstar geworden…Lacht
Übrigens während der Pandemie…wo nixx mehr ging und bevor es mich in die Lethargie treibt, habe ich angefangen Obst und Gemüse auszuliefern mit Abo-Kisten und so. Da hab ich gemerkt das hat mir unheimlich gut getan, ich hatte plötzlich wieder sozialen Kontakt. Außerdem war es wie auf Tour …einladen ausladen….nur ohne Bum Bum.
Aber auf die Frage zurückzukommen ich sag’s mal mit den Worten von unserem Basser Francessco Ferraro „Wenn ich kein Musiker wär, wäre ich sehr, sehr traurig!

SP: Das ist ein schönes Schlusswort….ich danke für das Gespräch…und viel Erfolg für die CD – Blue ray.

CB: Oh das war´s schon? Ja ich danke auch und wünsch Euch alles Gute.

Mehr Infos zur Band gibt es unter: http://www.freedom-call.net/

Fotos & Text: Stefan Peter