Dieses Jahr durften wir einem ganz besonderen Rockharz Festival beiwohnen, denn 2023 feiert das Open Air sein dreißigstes Jubiläum. Ein so langes Bestehen kommt natürlich nicht von ungefähr. Ein konstant gutes Angebot an Bands sowie die Bedingungen vor Ort – kurze Wege und keine Überschneidungen – haben dem Festival einen immer stärkeren Zulauf beschwert, sodass die Tickets in diesem Jahr bereits im März ausverkauft waren und sich insgesamt rund 25.000 Besucher:innen auf dem Acker tummelten.
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Mittwoch, 05.07.2023
Der Einlass um 15:00 Uhr erlaubt auch die Anreise am ersten Festivaltag sowie ein entspanntes Zeltaufbauen und Ankommen. Den am Mittwoch Anreisenden ergeht es tatsächlich besser als jenen, die schon seit Dienstag da sind, denn da ging durch den Anreisestau stellenweise mehrere Stunden so gut wie gar nichts. Dieser Schreck ist nun aber verwunden, die letzten Heringe gegen den starken Wind sind gesetzt und das ein oder andere idealerweise kühle Getränk ist in Wiedersehensfreude getrunken. Zeit also, sich dem eigentlichen Zweck der Veranstaltung zu widmen.
Am Einlass nimmt die Cantina-Band die Wartenden in Empfang und sorgt mit „demselben Song“ für Kurzweiligkeit. Bevor Vorfreude in Ungeduld umschlagen kann, öffnen sich die Tore und das weitläufige Infield wird eingenommen. Noch eine halbe Stunde dauert das Rätselraten, wer wohl der in der Running Order genannte „Würdige Auftritt“ sein mag, dann betritt Eric Fish (Subway to Sally) die Dark Stage, um mit seinem Projekt Eric Fish & Friends das Rockharz, das er als schönstes Festival der Welt bezeichnet, zu eröffnen. Doch wer sind diese Friends? Es sind bekannte Gesichter, die das Rockharz-Publikum an diesem Wochenende nicht zum letzten Mal sehen wird: Hansi Kürsch (Blind Guardian), Holly (Letzte Instanz) und Daniel Schulz (Unzucht). Auch Peter „Peavy“ Wagner von Rage ist am Start. Das stimmungsvolle Set, das unter anderem mit der Mandoline bestritten wird, steht in einem ziemlichen Gegensatz zur nächsten Band, denn im Anschluss servieren die Kneipenterroristen Deutschrock auf der Rock Stage.
Mit Exhorder hält nun aber der Metal Einzug, genauer gesagt der Thrash. Mit einigen Stücken von „Slaughter in the Vatican“ wird vor allem jenes 1990er-Album gespielt, obwohl ihre on-off Bandaktivität auch 2019 ein Album hervorgebracht hat. Old School passt aber definitiv zur Band, der etwas Zeitloses anhaftet. Fronter Kyle Thomas fordert das Rockharz-Publikum auf, sich selbst zu applaudieren. Diese Wertschätzung der Besucher:innen werden im Laufe des Festivals einige Bands teilen. Im Anschluss schwingt das Stil-Jojo wieder zurück zu deutschsprachig und folkig bis mittelalterlich. Zuerst liefern eine volle Ladung Dudelsack, dann wird es mit Letzte Instanz und ihren Streichern etwas ruhiger, aber nicht weniger tanzbar. Tanzwut haben ein Jubiläum zu feiern, denn sie werden dieses Jahr 25 und feiern ’silberne Hochzeit‘, wie sie selbst scherzen. Auch wenn es bereits die zweite Festivalsaison nach Corona ist, so kommentiert die Band trotzdem, sie habe mit Blut unterschrieben, das Leben nach der Pest zu leben. Dies tut das Rockharz-Publikum zweifelsohne. So lässt sich die Menge nicht zweimal bitten, als Letzte Instanz wenig später empfehlen „bei dem Wetter muss man viel trinken“ und alle das Bier zum Prost erheben.
Als Nächstes steht ein Powermetal-Double-Feature an: Angus Mc Six gefolgt von Battle Beast. Letztere starten mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums „Circus of Doom„, das auch den Großteil des Sets stellt. Die gute Laune der Band springt auf das Publikum über und die energiegeladene Show sorgt für ordentlich Bewegung in der Menge. „Geile Scheiße“, meint auch Bassist Eero Sipilä. Da kann man auch schon mal als Grabenschlampe eine Runde crowdsurfen, wie einer der Kollegen unter Beweis stellt.
Nach Battle Beast haben die Grabenschlampen erst mal eine unerwartete Pause. Es sollte direkt mit As I Lay Dying weitergehen, doch von denen ist auf der Bühne keine Spur. Es gibt ebenfalls keine Ansage, die erklären würde, was lost ist. Wir wissen zwar aus anderer Quelle, dass der Band bei der Anreise sämtliches Equipment abhandengekommen ist und sie sich dieses nun bei anderen Bands leihen muss, doch der Großteil des Publikums kann das nicht wissen. Nach 40 Minuten kommen As I Lay Dying dann auf die Bühne und spielen immerhin noch die verbleibenden 20 Minuten ihres Sets, erklären ihre Misere und bedanken sich bei denen, die ihnen ausgeholfen haben. Dass Fronter Tim Lambesis vor zehn Jahren versucht hat, seine Frau von einem Auftragsmörder umbringen zu lassen, scheint das Publikum ihm übrigens nicht übelzunehmen, denn die Stimmung während des Sets könnte kaum besser sein. Der Erholungseffekt der Verschnaufpause ist bei den Grabenschlampen nach diesen 20 Minuten definitiv wieder weg.
Dem Mittwoch fehlen nun nur noch Mono Inc., der Headliner Blind Guardian und ein ominöser Surprise Act.
Bei Mono Inc. ist die Bühne zunächst von einem schwarzen Vorhang verhüllt, der mit seinem Fall für Jubel sorgt. Vor allem „Arabia“ sollte auch jenen, die mit der Band nicht sehr vertraut sind, bekannt vorkommen. Auch auf dem Rockharz ist es einer der am meisten gefeierten Songs des Sets. Kaum ist dieses zu Ende, legen bereits Blind Guardian los. Die Zuschauer:innen haben gerade noch Zeit, zur anderen Bühne rüberzuwandern, da ist schon das Intro vorbei und die Band legt mit der schnellen Nummer „Imaginations from the Other Side“ los. Hansi Kürsch versetzt der Menge einen Schreck, indem er ankündigt, „The Bard’s Song“ ja schon vormittags mit Eric Fish & Friends gespielt zu haben und ihn deshalb jetzt weglassen zu dürfen. Er zieht es aber zum Glück nicht durch. Eine weitere Schrecksekunde gibt es am Ende des Sets während „Valhalla“, als ein Krankenwagen bis in die Menge fährt, um eine verletzte oder erkrankte Person einzusammeln. Dies scheint gut ausgegangen zu sein, doch der Anblick ist ein wirklich befremdlicher.
Wer währenddessen aufmerksam war, hat übrigens festgestellt, dass auf der Dark Stage für den Surprise Act aufgebaut wird und der Aufbau verdächtig nach Knorkator aussieht. Dadurch zwar nicht mehr ganz so überraschend, aber gebührend gefeiert, macht Deutschlands meiste Band der Welt schließlich den Abschluss. Ein Rockharz-Jubiläum ohne sie hätte man sich auch nur schwer vorstellen können.
(AQ)
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Impressionen
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Angus Mc Six
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As I Lay Dying
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Knorkator