ROCKHARZ FESTIVAL 2024 – DER Samstag

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Warnungen vor starken Böen und Unwetter können die Storm Seeker und ihre treue Fangemeinde natürlich nicht abschrecken. Verheißungsvoll schwebt an der Bühnendecke bereits die Dekoration für Judas Priest, aber jetzt geht es erst mal auf See. Es wird gerudert, getrunken und getanzt, wie es sich auf einem Piratenschiff gehört. Zur Vorbereitung auf das nächste Konzert gibt es abschließend mit „How To Be A Pirate“ noch ein kleines Tutorial an die Hand.

Knife ziehen da erst mal ganz andere Saiten auf, es gibt dunkelschwarzen Speed-Metal um die Ohren. Passt nicht ganz zum Sonnenschein, der ähnlich wie die Songs knallhart auf das Publikum herunterfeuert. Davon lässt sich hier aber niemand stören, sogar ein Circle Pit bildet sich aus der etwas kleineren Fangemeinde.  „No Gods In The Dark“ und „With Torches They March” heizen jedenfalls mächtig ein und lassen nachträglich noch den ein oder anderen doch noch vor die Dark Stage pilgern. Es lohnt sich, die Truppe im Auge zu behalten!

Aber nun geht es raus aus der Krawallecke und hinein ins Musikzimmer. Die Herren Coppelius laden zum Tee… äh… Tanz. „Kryptoxenoarchäologie“ und „Bitten Danken Petitieren“ kommen beim Publikum hervorragend an, auf der Bühne spielen sich theaterreife Szenen ab.
Butler Bastille kümmert sich rührend um die vorderen Reihen und seine Bandkollegen, Getränke und Schweißtüchlein werden gereicht. Zu „Mein Grab“ wird ein wenig Konfetti geworfen und natürlich hat er auch Schilder mit Anweisungen dabei, damit die Menge auch weiß, wie sie sich zu verhalten hat. Wo kämen wir denn da hin, wenn die Leute applaudieren, wann es ihnen passt?? „Chop Suey“ holt auch einige Besucher an den Bierständen aus ihrer Lethargie und eigentlich wäre die Stimmung bestens, um direkt bei der nächsten Band weiterzufeiern.

Doch bevor Nestor die Rock Stage erobern können muss das Infield aufgrund von Unwetterwarnungen evakuiert werden und erst einmal herrscht Ungewissheit, wie es nun weitergehen soll. Schlussendlich bleibt das Gelände zum Glück vom Schlimmsten verschont, aber der Großteil der Besucher weiß die Umsicht der Veranstalter zu schätzen. Das Infield wird nach einer Stunde wieder geöffnet und das Bühnenprogramm mit Ordan Organ wieder wie geplant aufgenommen. Nestor, Avatarium und Draconian müssen leider auf ihren Auftritt in diesem Jahr verzichten, sollen aber soweit möglich 2025 erneut die Chance bekommen, mit den Fans im Harz die Teufelsmauer erbeben zu lassen.

Nicht nur Vorsicht wird auf dem Rockharz großgeschrieben, sondern auch Rücksicht und Inklusion. Es gibt ein speziell ausgestattetes Inklusions-Camp mit 24-Stunden-Betreuung durch die Lebenshilfe Braunschweig, einen mobilen Hilfsmittelverleih und Reparaturservice, Pflegecontainer und die Wege sind mit alten Förderbändern belegt, die man mit Rollstühlen befahren kann und als Blindenleitsysteme dienen. So konnten 2024 102 Gäste mit Behinderung am Festival teilnehmen, denen es ohne diese Unterstützung nicht möglich gewesen wäre.
Auch auf dem Infield hat sich einiges getan, es gibt eine überdachte Inklusionstribüne, eine Sprachführungs-App für Menschen mit Sehbehinderung und QR-Codes auf Getränke- und Speisekarten, um sich die Inhalte vorlesen lassen zu können.
Unter dem Link https://www.gofundme.com/kultur-fur-alle könnt ihr an einem Crowdfunding teilnehmen, dass das „Kultur für alle“ Projekt unterstütz. So kann noch mehr Menschen mit Einschränkungen jeder Art die Chance gegeben werden, an Events wie dem Rockharz teilzunehmen.
Außerdem gibt es die Möglichkeit, diskret Mitarbeitende um Hilfe zu bitten, sollte man sich in einer Situation unwohl fühlen. Man kann jederzeit jemanden ansprechen und sagen, dass das Bändchen zu eng geworden sei und bitte entfernt werden müsse. Alternativ kann man auch so tun, als würde man versuchen, sich das Bändchen abzureißen, sollte es in der Umgebung zu laut sein. Dann wissen die Mitarbeitenden Bescheid und werden euch ebenso diskret dabei helfen, die Situation zu verlassen.

Ordan Ogan dürfen nun die Zügel wieder aufnehmen und haben ihr taufrisches Album „The Order Of Fear“ im Gepäck.  Allerdings gibt es vor „Conquest“ erst mal eine kleine Lehrstunde. „Orden ist das deutsche Wort für eine klösterliche Gemeinschaft, Ogan ist Alt-Keltisch für Angst. Der Albumtitel ist also die englische Version unseres Bandnamens.“ erklärt Sänger Seep. Mit diesem Fachwissen ausgerüstet darf nun zu „Moon Fire“ das Haar geschüttelt werden. Die Fans werden in zwei Lager geteilt und sollen jeweils „Moon“ oder „Fire“ brüllen. Auch wenn es teilweise ein bisschen nach (zugegeben sehr muhtivierter) Kuhweide klingt. Crowdsurfen funktioniert auch schon wieder hervorragend, insgesamt ist die Stimmung großartig. Die Freude über das ausgebliebene Unwetter und die augenzwinkernden Ansagen von Seeb erschaffen eine gelöste und feierwütige Atmosphäre. Ein sehr guter Zeitpunkt, um Hymnen wie „Gunman“ und „The Things We Believe In“ rauszufeuern und auch gleich mal den Titeltrack des neuen Albums mit dem Publikum einzuüben. Seeb scheint ebenso in Fahrt zu sein wie die Menge: „Wollt ihr noch einen? Oder zwei? Drei? Nee, fear hatten wir schon!“ Aua.
Die Laune ist gerettet, die im Auto eingefalteten Körperteile alle wieder ausgeschüttelt und Musiker und Fans gehen glücklich auseinander.

Nach langer Krankheit von Sänger Thomas Lindner sind Schandmaul zurück auf der Bühne, der Menge vor der Dark Stage nach zu urteilen von vielen lang ersehnt. Thomas musste ein Karzinom im Rachenraum entfernt werden, und da er noch nicht wieder bei Stimme ist unterstützt er seine Band stattdessen am Keyboard und an der Gitarre. Deshalb übernimmt Marco Klingel den Gesang, teilweise zusammen mit Alea, seines Zeichens Sänger bei Saltatio Mortis. Passend zum Harz gibt es sowohl das „Hexeneinmaleins“ als auch die „Walpurgisnacht“ und natürlich dürfen wir nicht vergessen „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“. Leider ist auch „Bunt und nicht Braun“ aktuell wie nie.


Wem die Wall of Love (an der auch die Grabenschlampen vorbildlich teilgenommen haben) noch nicht genug Körperkontakt zu bieten hatte, der bekommt zum Abschluss noch was „zum Schmusen“, wie Marco es formuliert. „Dein Anblick“ lässt einige Herzen höherschlagen und bildet den sanften Rausschmeißer.

Es scheint so, als hätte sich das gesamte Rockharz vor der Rock Stage versammelt, denn nun stehen die Headliner Judas Priest in den Startlöchern. Zugegeben, das Intro zieht sich etwas, aber Legenden der Musikgeschichte müssen schließlich auch gebührend empfangen werden. „Panik Attack“ als Opener verfehlt seine Wirkung nicht, die Menge ist von der ersten Sekunde an begeistert.
Das Judas Priest Logo erstrahlt in vollem Glanz von der Bühnendecke, Videoleinwände und riesige Aufbauten geben eine beeindruckende Kulisse. Genauso wie der malerische Sonnenuntergang über dem Campground, als wäre es geplant. Nach „You’ve Got Another Thing Coming” ruft Sänger Rob Halford in die Menge: „The Priest is back!“ und erntet lauten Jubel und Applaus. Die Chemie stimmt und einem großartigen Abend steht nichts mehr im Wege. Selbst wer Judas Priest eigentlich nicht so auf dem Schirm hat, kennt zumindest „Breaking The Law“ und „Turbo Lover“. Es wird sogar interaktiv, die Menge darf (versuchen) nachzusingen, was Rob ihnen vorgibt. Logisch, dass dieses Duell alles andere als fair ist, aber Heavy Metal Legenden schlägt man ja wohl nichts aus.
Wenn man sich während der Show bis jetzt schon ständig gefragt hat, welche Knaller wohl noch ausgepackt werden, kann sich nun warm anziehen. Oder eher ledrig.
Motorengeräusche lassen die Fans jubeln. Rob fährt auf einer Harely auf die Bühne und natürlich folgt „Hell Bent For Leather“.

We will be back!“ verspricht Rob zum Abschied, so richtig trennen können Band und Publikum sich aber nicht voneinander. Die Erwartungen der Zuschauer wurden übertroffen und die Atmosphäre der Vorfreude ist purer Glückseligkeit gewichen. Die Setlist hat keine Wünsche offengelassen, Judas Priest haben dem Rockharz-Publikum auf jeden Fall ordentlich eingeheizt und ihren Headliner-Slot mehr als würdig vertreten (Wer hätte auch was anderes erwartet).

Als kleine Verschnaufpause richtet wie jedes Jahr der Veranstalter des Rockharz ein paar Worte an seine Gäste. Es gibt reichlich Lob für die knapp 500 Mitarbeitenden, die im Hintergrund alles zusammenhalten und bereits mit Hochdruck an den Vorbereitungen für 2025 arbeiten. Aber auch die Besucher dürfen sich selbst beklatschen. Trotz der unsicheren Wetter-Situation wurde das Infield ruhig verlassen und den Anweisungen Folge geleistet. Es ist keine leichte Entscheidung gewesen, das Programm zu unterbrechen, aber Sicherheit geht vor. Und es ist schön zu wissen, dass die Rockharz-Community auch in solchen Momenten zusammenhält.
Zum Schluss bleiben nur noch zwei Fragen: „Hat es euch gefallen?“ und „Sehen wir uns nächstes Jahr wieder?“. Als könnte man darauf etwas anderes als ein aus vollem Herzen gebrülltes „JA!“ antworten.

Doch genug der Worte, jetzt folgt erst mal Death Metal aus Schweden. Hypocrisy geben sich die Ehre und werden vermutlich für einige Nackenschmerzen in den nächsten Tagen verantwortlich sein. „Fractured Millennium“ ist ein starker Opener, „Adjusting The Sun“ und “Eraser” stehen dem allerdings in nichts nach. Fans und Musiker schütteln fleißig ihre Haare, man möchte fast schon Witze über Shampoowerbung machen.
Sänger Peter Tägtgren traut sich erst nicht „Fire In The Sky“ anzukündigen, das Wetter hatte ja bisher schon genug für Aufregung gesorgt.
Zwischen den Songs wird jedenfalls keine Zeit mit Labern verschwendet, was die Fans sicherlich zu schätzen wissen und die Band mit lautem Jubel und gereckten Fäusten nach einer Stunde Dauerfeuer von der Bühne entlassen.

Guten Abend meine Damen und Herren!“ begrüßt Mr. Lordi das riesige Gewusel vor der Rock Stage. „Geht’s gut?“ Die Antwort ist eher undeutlich, scheint ihm aber zu missfallen.
I know the difference between ‘Ja’ and ‘Jaja’! Don’t fool me on this one!” Mit überraschend speziellen Deutsch-Kenntnissen werden einigen intimen Details über die mit einem „Jaja“ verbundenen Vorlieben erläutert, bis dem Sänger einfällt, warum es Lordi überhaupt in den Harz verschlagen hat.
Next son is Hug You Hardcore… but it means a different kind of hugging, you know? “ Ja, die Menge scheint eine vage Idee zu haben. “Would You Love A Monsterman“, „Get Heavy“ und „Devil Is A Loser“ haben zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, aber dürfen natürlich auf keinen Fall auf der Setlist fehlen.
Mr. Lordi hat sichtlich Spaß an der Interaktion mit den Fans und ist für jeden Scherz zu haben. Auch sein immer wieder gemurmeltes „Ja ja…“ ist längst zu einem Running Gag geworden.
Who’s Your Daddy“ erntet schon bei der Ansage donnernden Applaus und auch „Devil Is A Loser“ wird kräftig abgefeiert. Außerdem gibt es immer neues Spielzeug auf der Bühne zu bestaunen, Mr. Lordi schwingt erst irgendetwas Kettensägen-ähnliches, dann eine Nebelkanone oder auch mal entspannt ein Kopfkissen.
Für den letzten Song muss das Publikum sich noch mal richtig ins Zeug legen, Keyboarderin Hella will erst mit Jubel überzeugt werden, noch mal in die Tasten zu hauen.
Auch zur späten Stunde ist die Energie der Fans unerschöpflich und zum krönenden Abschluss singt das ganze Infield (wahrscheinlich der ganze Harz) „Hard Rock Halleluja“.

Nach dem magisch-mystischen Auftritt von Faun ist das Rockharz 2024 Geschichte. Das Wetter war ebenso bunt gemischt wie die Besucher und das Line Up. Und genau dafür steht dieses Festival seit vielen Jahren.
Auf dem Rockharz ist kein Platz für Gewalt, Rassismus, Sexismus und Homophobie. Jede und Jeder soll sich willkommen und wohl fühlen und das wissen die Gäste, die Bands und auch die Crew sehr zu schätzen.
Danke, für eure Arbeit, euren Einsatz und die Bereitschaft, bei jedem Problem eine Lösung zu finden.
Aber nicht nur diese Wohlfühl-Atmosphäre, sondern auch die bisher bestätigten Bands sind der Grund, warum bereits in den ersten Tagen nach dem Festival bereits die Hälfte der Tickets für 2025 verkauft sind. Und das, obwohl der Verkauf bisher nur für Bestandskunden freigegeben ist.

Es lohnt sich also, das Rockharz auch für nächstes Jahr fett in den Kalender einzutragen und den Shop im Auge zu behalten.
See you at the Devil’s Wall!

Bereits bestätigt für 2025 sind: Asenblut, ASP, Combichrist, Dark Tranquillity, Die Kassierer, Gloryhammer, Heaven Shall Burn, J.B.O., Kupfergold, Non Est Deus, Overkill, Powerwolf, Sodom, Vader, Versengold, Warkings

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(Victoria Doyle)