„Sagt den Jungs, sie sollen rocken“
Das Leben ist pink. Gitarren und Bässe. Das Licht auf der Bühne. Die T-Shirts der Fans. „Arschloch und Spaß dabei“ steht auf letzteren. Die Menge im Capitol in Hannover tobt, da steht das James Blast Orchester, besser bekannt als J.B.O., gerade erst knapp seit ein paar Minuten auf der Bühne.
Fotos mit Supportband Stepfather Fred
Und das an einem sehr denkwürdigen Datum: „Auf den Tag genau ist es genau 26 Jahre her, dass wir unser erstes Livekonzert gespielt haben“, erinnert sich Frontmann Vito C. Und alles, was die Rosa-Armee-Fraktion an diesem Abend zu bieten hat, ist nichts besseres, als ein Gang durch eben jene 26 Jahre Bandhistorie, die einst mit Coverversionen bekannter Songs aus Rock und Pop ihren legendären Lauf nahm. (Video)
Auf in den Abend geht es mit „Bolle“. Es folgen weitere Klassiker wie „Vier Finger“ (für ein Halleluja) oder „Kuschelmetal“. Da fliegen Luftgitarren und Mähnen, da springen Männer über die Bühne und im Publikum. „Schlaf Kindlein Schlaf, Dein Vater ist ein Schaf“ – zu solchen und anderen geistigen Höhenflügen laden die Mannen aus Franken ihre Fanschar ein. Doch das Ziel des Abends ist ein anderes: Party bis zum Umfallen, hemmungsloser Spaß – und tanzen, bis die Schweißperlen in Strömen Richtung Socken laufen. Da hilft es wenig, wenn Frontmann Hannes G. Laber die Spaßmetalformation als „intellektuell und soziokulturell“ ankündigt, wenn J.B.O.-Klassiker wie „Gimme Dope, Joanna“, „Frauen“ oder „Ka Alde, ka G’schrei“ zelebrieren oder mit einem „digitalen Echoeffekt“ Otto Waalkes doubeln. Spaß ist oberstes Gebot des Abends – und er ist es auch, weshalb die Jungs von ihren Fans geliebt werden.
Zwischendurch geben die Jungs die eine oder andere Anekdote aus der Bandhistorie zum Besten – und erklären, warum der eine oder andere Song es nie geschafft hat, auf einem Album verewigt zu werden: Sie scheiterten schlicht an der Genehmigung der Urheber. Fast wäre auch ein Scorpions-Cover am Management gescheitert, hätte da nicht jemand einen direkten Draht zum Mastermind Rudolf Schenker himself gehabt, der dann über das Management wiederum ausrichten ließ: „Sagt den Jungs, sie sollen rocken!“
Und das tut das Quartett dann auch. Voller Wucht und mit größtem Genuss. Was als Bruce-Springsteen-Klassiker „Born in the USA“ 1984 die Charts eroberte, hieven die Metaler in Rosa als „Diggin‘ the Nose“ wieder auf die Bühne – denn hier bohrt der Boss noch selbst. Den Nirvana-Song „Smells like teen spirit“ verballhornen J.B.O. zu „Ejaculation praecox“, praktizieren später den „Schlumpfozid“ und massakrieren arme, blaue Schlümpfe bei lebendigem Leib – und zur Freude der Fans. Sie schwingen goldene Krönchen zu „Könige“, während der eigene Kopf stumm Rio Reisers „König von Deutschland“ anstimmt.
„Ein guter Tag zum Sterben“ – diese Zeilen singt Hannover allein. Der Pegel der Bierflaschen in den Mikroständern sinkt – der der Fans steigt. Manowars „Carry on“ – einst zur Hymne „J.B.O.“ der Rosa-Armee-Fraktion mutiert – beschließt diesen fulminanten Abend einstweilen, den noch zwei Zugabensets abrunden. „Wir stehen seit 26 Jahren auf der Bühne. Also müssen wir mindestens 27 sein“, sinniert Hannes G. Laber sehr geistreich und mathematisch völlig korrekt zum Ende der Show. Fest steht: Die Verteidiger des wahren Blöedsinns sind kein bisschen leiser geworden nach einem Vierteljahrhundert Bühnenpräsenz. Dafür lauter – und besser als jemals zuvor.
(km)