Alle Fotos (C) Daniel Stahlmann
Heaven Shall Burn auf dem RockHarz 2017
„The final March“ soll für die fünf Mitglieder von Heaven Shall Burn für einige Zeit die letzte große Tour sein. Grund genug, nochmal so richtig aufzudrehen und mit der Show in Hannover die Luft des Capitols zum Brennen und den altehrwürdigen Parkettboden zum Beben zu bringen.
Wenn eine Band mit gleich drei Vorbands auf Tour geht, kann man Großes erwarten und sich durchaus auf einen langen Abend einstellen. Wenn man zudem noch beachtet, dass wir von insgesamt vier vor Energie und Kraft strotzenden Metalcore-Bands sprechen, ist es ohne Zweifel vorbei mit der Gemütlichkeit und Ruhe am Abend. Tatsächlich habe ich mich während der Show mehrfach gefragt, ob gerade Anwohner der umliegenden Wohnungen aufgrund der Bässe aus ihren Betten gefallen sind. Aber immer der Reihe nach…
Den Abend im gut gefüllten Capitol eröffneten „In Hearts Wake“. Die Australier um Sänger Jake Taylor konnten das Publikum auf Anhieb in ihren Bann ziehen. Die Mischung aus Melodic-Hardcore und Metalcore brachte die Anwesenden im Saal schnell auf die richtige Betriebstemperatur, die einen gelungenen Abend versprechen würde. Die ersten Moshpits ließen nicht lange auf sich warten. Die fünf Musiker hatten sichtlichen Spaß am ausgelassenen Feiern der Meute und jagten während ihrer Show ebenfalls voller Energie über die Bühne, während der Boden unter den kraftvollen Songs bebte. Nach knapp 30 Minuten endete der erste Auftritt des Abends und hinterließ eine Zuhörerschaft, die hungrig nach mehr war.
Nach einer kurzen Umbauphase, welche musikalisch untermalt wurde u.a. von „I won’t let you down“ von Ph. D. und die allen Anwesenden eine kleine Verschnaufpause verschaffte, enterten „Whitechapel“ die Bühne. Phil Bozeman, Sänger und Frontmann der amerikanischen Metal-Combo, gab ohne Umschweife und Anlaufphase Vollgas und forderte Gleiches vom bereits angeheizten Publikum. Von 0 auf 100 in Nullkommanichts schwappte die Stimmung im Saal von torfreudigem Warten auf ungezügelte Ausgelassenheit. Mit seiner Stimmgewalt und von einer fortwährenden Musikalischen Maschinengewehrsalve untermauert, brachten „Whitechapel“ den Boden des Capitols zum Dauervibrieren.
„August Burns Red“ brachten als dritte Vorband für „Heaven Shall Burn“ das Stimmungsfass beinahe zum Überlaufen. Jake Luhrs und die anderen Bandmitglieder trieben die Stimmung im Capitol auf einen neuen Höhepunkt. Luhrs forderte von den Fans eine Wall of Death und die Anwesenden kamen diesem Wunsch mit großer Freude und Euphorie nach. Der gewaltige Aufprall der Massen war sicherlich auch in den benachbarten Räumlichkeiten zu hören und zu spüren. Während des gesamten Auftrittes von „August Burns Red“ gab es im Zuschauerraum vor der Bühne keinen Stillstand. Die Tanzenden im Circle Pit beruhigten sich lediglich kurzzeitig für den Weitertransport der Crowdsurfer. Und hiervon gab es eine ganze Menge. Zum Teil gestandene Männer, die, in feinster Teenie-Manier, nach ihrer Surfeinlage im Sperrbereich vor der Bühne unbedingt noch ihr Idol flüchtig berühren mussten. Ein Mann ist mir besonders im Gedächtnis geblieben, weil er während der Show mehrfach angesurft kam um auf Tuchfühlung mit Jake Luhrs zu gehen.
Es ist kurz vor 22 Uhr im Capitol. Die Bühne wurde zum dritten Mal an diesem Abend geräumt und umgebaut. Die Masse erwartet den Hauptakt des Abends und ist immer noch gierig auf mehr. Zu den ersten Takten von „Downshifter“ betreten die Mitglieder von „Heaven Shall Burn“ die Bühne und geben dem Publikum, worauf es den ganzen Abend über gewartet hat. Bereits bei den anderen Bands kam mir der Gedanke, dass der Höhepunkt der Energie mittlerweile erreicht sein müsste und das Publikum einen Großteil an Energie bereits aufgebraucht haben müsste. Sänger Marcus Bischoff scheint der gleichen Ansicht zu sein, als er nach „Bring the War Home“ und „The Weapon They Fear“ in die Masse ruft: „Beim ersten Song dachte ich schon, wo das noch enden soll? Ihr legt euch ja richtig ins Zeug!“ Als Antwort und Kampfansage jubelt ihm die Meute vor der Bühne entgegen. „Die Frage ist aber, ob ihr das bis zum Ende durchhaltet?“ will er daraufhin von allen wissen. Ich kann es hier schon verraten: Ja, das Publikum hat durchgehalten. Mehr als das. Stimmung und Energie konnten während des Auftrittes noch eine Steigerung erfahren. Unglaublich, was da vor und auf der Bühne abgeliefert wurde! Schon alleine der Circle Pit quer durch den Zuschauerraum und um die Bar war eine wahre Freude für alle Anwesenden. Dem konnte sich keiner entziehen. „Land of the Upright Ones“ und „Counterweight“ heizen die Stimmung weiter ein, die dann mit „Black Tears“ einen neuen Höhepunkt erreicht. Marcus Bischoff ist zu diesem Zeitpunkt bereits schweißgebadet und auch den anderen Bandmitglieder sieht man an, dass sie auf der Bühne alles geben, aber ihr Vergnügen daran haben und sich von der Energie der Menge tragen lassen. Vor den ersten Akkorden von „Corium“ verlassen die Fünf für einen Moment die Bühne und kommen in Nebel getaucht zurück um den Song zu zelebrieren. Die Atmosphäre im Capitol reißt in diesem Augenblick auch den Letzten mit, der bisher nur stiller Zuschauer war.
Kraftvoll und voller ungehemmter musikalischer Leidenschaft geht es mit „The Final March“, „Passage of the Craine“ und „Combat“ weiter im Programm. Die von „August Burns Red“ angeheizten Crowdsurfer sind auch während dieser Songs nicht auf dem Boden zu halten. Es ist ein wahres Fest und man weiß nicht, ob man lieber die feiernde Menge oder die Musiker auf der Bühne bei ihrer Performance beobachten soll. Egal, wofür man sich entscheidet: es gibt überall etwas zu sehen.
„Ein Song für alle die, die nicht selbst für sich sprechen können“ ist „Voice of the Voiceless“, gefolgt von „Hunters will be Hunted“, welche mit einstimmiger Begeisterung und frenetischen Jubelschreien honoriert werden. Und wieder kocht die Stimmung über und es scheint, als müsste mit diesen Songs als Abschluss der finale Höhepunkt erreicht sein.
Die Band verlässt die Bühne, die Menge fordert lautstark ihre verdiente Zugabe. Mit „Endzeit“ kehren den „Heaven Shall Burn“ auf die Bühne und zu ihren Fans zurück und geben nochmal absolutes Vollgas. Zum Abschied performt die Band im Einklang mit den Fans den Blind Guardian Brecher „Valhalla“ – definitiv mein Highlight des Abends. Die Chemie zwischen Band und Publikum stimmt hundertprozentig. Musikalisch angeführt durch die Band steigert sich die Menge nochmal richtig in die Dynamik des Abends hinein und beschert mir mit dem Duett Band-Publikum eine Gänsehaut.
„In Hearts Wake“, „Whitechapel“, „August Burns Red“ und „Heaven Shall Burn“ – diese Aufstellung zergeht dem bekennenden Metalfan auf der Zunge. Dieser Abend fühlt sich auch im Nachgang an, als ob ich vier Konzerte besucht hätte. Jede dieser Bands hätte den Abend musikalisch ohne weiteres alleine bestreiten können und das Publikum beglückt. Alle vier Bands an einem Abend – das muss von der Atmosphäre und Energie erstmal jemand toppen!