Mit ihrem dritten Album „In jener Nacht“ ziehen die Musketiere von d’Artagnan auf der gleichnamigen Tour nun durch die Lande und zügeln am 24.05.2019 im Musikzentrum Hannover ihre edlen Rösser. Ebenfalls dabei sind die vielleicht nicht ganz so edlen, dafür aber ebenso musikalischen Gossenpoeten mit ihrem bisher einzigen Album „Nah am Folk“.
Kurz vor Beginn des Konzerts steht bereits fest: Es wird sehr voll und sehr warm. Die Stimmung ist schon jetzt ausgelassen und die Vorfreude der Fans regelrecht spürbar. Hier und da werden schon mal einige Lieder der Bands probehalber angestimmt. Um Punkt acht Uhr verstummt die Musik aus der Dose und dem Publikum, das Licht geht aus und das Spektakel kann beginnen.
Zuerst ertönt die Stimme des Hauptmanns von Feuerschwanz aus den Lautsprechern und gibt eine sehr.. naja, schmeichelhafte Vorstellung der Bandmitglieder zum Besten, während diese die Bühne betreten. Gestartet wird mit einem Lied, das praktischerweise so heißt wie die Band. „Gossenpoeten“ verschafft gleich mal einen Überblick, was der geneigte Zuhörer in der kommenden Dreiviertelstunde so zu erwarten hat.
Neben vielen grünen Federn (das Markenzeichen der Band) sieht man auch einige Plakate und Banner mit Glückwünschen in den ersten Reihen. Vor kurzem erst wurden die Gossenpoeten nämlich zwei Jahre alt und spielen an diesem Abend zum ersten Mal in Hannover.
Um einander also ein wenig kennenzulernen, plaudert Sänger Darian ein bisschen aus dem Nähkästchen. Unter anderem geht es um die Lieblingsbeschäftigung von ihm und seinen Kollegen: Im Badezuber sitzen und trinken. Das scheint der Menge sehr sympathisch zu sein, Jubelrufe werden laut. Mittlerweile ist es so stickig geworden, dass man beinahe schon einen Aufguss herbeisehnt. Immerhin kann man sich so richtig gut in den Song „Badehaus“ einfühlen und wundert sich fast ein bisschen, dass es nicht schon von der Decke tropft.
Auch „Wikinderlied“ und „Drachenschwingen“ schaffen eine tolle Stimmung, Band und Publikum haben sichtlich Spaß. Es wird getanzt und laut mitgesungen, man könnte fast vergessen, dass dies „nur“ die Vorband ist.
Was natürlich auch nicht fehlen darf: ein Trinklied. Nein! DAS „Trinklied“, wie Darian betont. Was wären denn Poeten ohne Alkohol?
Zum Schluss gibt es noch eine sehr schöne, dezent abgewandelte Version eines Kinderliedes:
„Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir. Dort vorne ist die Taverne, da tausch ich das Scheißding gegen Bier!“. In diesem Sinne, Prost!
Die Umbaupause gibt nicht nur Gelegenheit, den nun entfachten Durst zu stillen sondern auch, um sich ein wenig umzuschauen. Viele Gewandungen sind zu entdecken, vom Edelfräulein bis zum Musketier ist alles dabei. Und erstaunlich viele Kinder. Musikalische Früherziehung scheint hier groß geschrieben zu werden.
Kurz nach neun wird es wieder dunkel im Musikzentrum und nur noch (elektrischer) Fackelschein erhellt die Bühne. Nach einem epischen Intro geht es sofort mit „Sprengt die Ketten“ los; ein sehr kraftvoller Einstieg, der das Tempo des Abends schon einmal vorgibt.
Bereits beim zweiten Lied, „Flucht nach vorn“, wird es wieder unglaublich warm im Saal, denn stumpf rumstehen kann bei d’Artagnan einfach keiner. Glücklicherweise findet jetzt irgendjemand irgendwo den Knopf für die Lüftung und ein Sauna -Revival bleibt erspart.
Es folgen „Chanson de Roland“ und „Die Welt in der wir leben“; Ansagen gibt es zwischendurch keine. Allerdings sind die Musketiere auch schon zum vierten Mal in Hannover, da bedarf es keinem Kennlern-Smalltalk mehr. Erst technische Probleme erzwingen eine kleine Pause, also beschließt Ben, mit den Fans ein bisschen Schunkeln zu üben. Kann ja nicht schaden, schließlich wird diese Choreografie im Laufe des Abends noch einige Male in Anspruch genommen werden.
Als es dann mit „Tourdion“ weitergehen kann, können die neu erlernten Fähigkeiten sogleich eingesetzt werden. Aber auch auf der Bühne sind die Herren nicht faul. Ben verrät: „Wir sind die älteste Boygroup der Welt!“ und das wird mit einer BackstreetBoys-würdigen Tanzeinlage während „Einer für Alle für Ein‘“ auch sofort bewiesen.
Nach so viel Spaß und Tanz wird es aber mal Zeit, sich den tiefgründigen Fragen des Lebens zu stellen. Wie könnte die bei den Musketieren wohl lauten? Richtig! „Was wollen wir trinken?“ kann wohl als einer der philosophischen Höhepunkte der Setlist betrachtet werden.
Nun wird es aber wirklich etwas ernster, bei „ Entfache mein Feuer“ werden Handylichter und Feuerzeuge in die Höhe gehalten und hier und da fließen im Publikum auch ein paar Tränen. Dann ist auch schon wieder Schluss mit Rührseligkeit; „Pech oder Glück“ und „Endlich frei“ stellen die Tücken des Lebens in Frage und laden wieder zum Tanzen ein.
Ben stellt erfreut fest, wie textsicher besonders die ersten Reihen sind. „Dann hab ich ja gar nichts mehr zu tun… Je mehr ihr singt, desto betrunkener werde ich!“ gibt er lachend zu. Allerdings scheint er das gern in Kauf zu nehmen und erinnert im nächsten Lied daran: „Strafe muss sein“.
Mit „Schinderhannes“ und „Wir haben nichts“ kann noch einmal richtig Gas gegeben und ausgelassen getanzt werden, bevor es wieder etwas ruhiger wird.
Nur die drei Musketiere verbleiben auf der Bühne und es folgt eine Akustikversion von „Bis zum letzten Atemzug“. Tim bedankt sich im Anschluss überschwänglich bei den Fans und ist scheinbar so ergriffen, dass er völlig vergisst, wo er sich überhaupt befindet und Bochum für die großartige Stimmung lobt. Man möge es ihm nachsehen, 24 Stunden vorher hat er sich ja auch noch dort befunden. Dafür sind die Hannoveraner nun aber bei „In jener Nacht“ umso mehr motiviert, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Jetzt wird mal kurz Tacheles geredet. d’Artagnan müsse sich ja mit einigen Vorurteilen herumschlagen:
„Immer das Gleiche; immer diese Degen, immer diese Helden, immer diese Frauen.“ Na und? Hilfsbereit wie er nun mal ist schlägt Ben vor, ein Trinkspiel daraus zu machen. Bei jedem „Ehre“, „Held“ oder „Mut“ muss man einen Kurzen trinken. „Ihr schafft nicht mal einen Song!“ prophezeit er kichernd.
In Ermangelung an Schnaps bietet es sich an, als „Trockenübung“ bei „Heldenlied“, zu den entsprechenden Worten mal die Arme zu heben. So kann man ja schon mal feststellen, ob es überhaupt eine Zeitspanne zwischen Trinken und Nachschenken gibt.
Nach so viel sportlicher Betätigung verlassen die Musiker kurz die Bühne, allerdings bietet sich hier keine lange Pause. Gustavo kehrt mit einem sehr beeindruckenden Geigensolo und nahtlosem Übergang zu „Wallenstein“ mit den anderen zurück.
“Meine Liebste, Jolie“, „Komm Mit“ und „Ehre wem Ehre gebühret“ sind wieder ein kleiner Ausflug zum ersten Album „Seit an Seit“ und da darf natürlich auch der Titelsong im Anschluss nicht fehlen.
Das Konzert neigt sich so langsam dem Ende, Ben ist allerdings noch nicht bereit aufzuhören: “Lasst uns noch ein bisschen feiern; es ist so schön, dass ihr alle da seid!“ Na, das muss er nun wirklich nicht zwei Mal sagen. „Sing mir ein Lied“ dürfte den meisten als „Skye Boat Song“ aus der Serie Outlander bekannt sein und darf genutzt werden, um nochmals die Schunkelfähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Zum letzten Song, einer Reprise von „In jener Nacht“, gibt es noch eine kurze Vorstellung der Bandmitglieder und mit einem beherzten Griff der Musketiere nach ihren Degen findet dieser fulminante Konzertabend einen schönen Abschluss.
Auch dieser Besuch von d’Artagnan in Hannover war ein voller Erfolg. Die Setlist hatte für jeden etwas dabei und es wurden (bis auf eines) alle Lieder des neuen Albums“In jener Nacht“ gespielt. Es wurde viel getanzt und gelacht, gemeinsam Schlachten geschlagen und gezecht. Da bleibt eigentlich nur noch zu sagen „Einer für alle, alle für einen!“ und danke, für diesen großartigen Abend!
(VS)