Nach mehrfacher Verschiebung und insgesamt zweijähriger Verspätung hatten ASP es endlich geschafft: die „Dunkelromantischen Herbstnächte“ gastieren im traditionsreichen und gut gefüllten Theater am Aegi in Hannover an diesem 24.11.2022. Nachdem über den Sommer bereits einige glorreiche Festivalauftritte in elektrifiziertem Setting absolviert worden waren, galt es für ASP nun, auch im akustischen Gewand zu bestehen.
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Als sich das Licht abdunkelte und unter tosendem Beifall die Musiker Platz nahmen, dachte sich sicherlich nicht nur einer der Gäste, dass dort auf der Bühne gerade der falsche Typ am Mikrofon stand – was hatte denn Chris Harms hier zu suchen? Schnell die Brille geputzt und dann doch noch einmal korrigiert, da stand tatsächlich der ASP am Gesang, allerdings um diverse Kilos leichter als zu Beginn der Corona-Zeit. Nach getragenem Einstieg nahm die Band schnell Tempo auf und präsentierte “Was Du Dir Wünscht” im Gewand einer fixen Folknummer. Auch mit dem folgenden “Im Märchenland” ward direkt ein Statement gesetzt: ASP sind immer noch eine Macht, die für atmosphärische Dichte weder Bratgitarren noch Synths benötigen. Die Liebe zum Detail offenbarte sich in Form von an diesem Punkt stimmungsvoll zu Grüntönen schwenkendem Bühnenlicht, das durch die koboldeske Performance des Herrn Spreng nur noch in seinem gefühlt irischen Charakter unterstrichen wurde. “Where’s me gold?”, wie Warwick Davis sagen würde. Mit “20.000 Meilen”, “Tritons Fall”, “BernsteinmeerengeL”, “Tintakel” und “Die Untiefen” wurde dann auch gleich ein kompletter Themenblock des Sets auf die “Zutiefst” und “Kosmonautilus”-Alben verwendet und entführte die Zuschauerschaft in die Weiten der schummrig-seegrün und-blau ausgeleuchteten Tiefsee. Immer mittendrin der wieder einmal best gelaunte Spreng, der mit den Zuschauern witzelte, dass er zwar noch immer nicht tätowiert sei (“auch kein Arschgeweih”), aber sich bei adäquatem Mitwirken des Publikums zu “Tintakel” sicherlich nach der Tour etwas Kleines stechen lassen werde – man darf gespannt sein. Aus der nautischen Einsamkeit der Meereszombies ging es dann weiter zum obligatorischen “Krabat”, das einfach immer und in jeder Besetzung funktioniert. Unter ohrenbetäubendem Klatschen wurde dann auch noch die übliche Rabenfeder verschenkt, bevor die Reise weiter ging – ins “Varieté Obscur”. Hier sei besonders die spielerische Qualität von Violinistin Shir-Ran Yinon, die man in der Vergangenheit bereits bei Eluveitie, Moran Magal, Krayenzeit uvm. sichten durfte, hervorgehoben. Durch gezielt eingesetzte Staccati und Pizzicati verlieh sie dem Song ein groteskes Element, das einem ein wohliges Schaudern über den Rücken rennen ließ, bevor die Band sich eine 25-minütige Auszeit erbat, in der sich der Saal leerte und die finsteren Horden in Richtung Toilette oder Bar schlurfen konnten.
Das zweite Set läutete man mit „Stille der Nacht“ ein, und es war als hätte es keine Pause gegeben. Instant-Stimmung aus der Dose, gefolgt von einem nachdenklichen „Wolfsspuren“. Mit „Der volle Mond steht überm Wald“ gab es als Nächstes ein Stück der Band Spielbann, bei denen Bassist Lias dereinst zu werken pflegte. Jener Lias war nun auch der dekorierte, als das zweite Stück aus dem nicht direkten ASP-Katalog seinen Weg ins Set fand. Eingeleitet durch eine spaßige Ansage zu den Vorteilen des Marketings mit Einhörnern wurde der Tieftöner mit einem Haarreif, der direkt aus dem Merch zu „My Little Pony“ entsprungen sein könnte, geschmückt, bevor man „Im Reich des Einhorns“, das letzte Werk von Asps Projekt Herumor, zum Besten gab. Aus dem Zauberwald ging es sogleich weiter zu einem gewissen verfallenen und heimgesuchten Hotel, aus dessen Liederfundus jetzt „Das Kollektiv“ ertönte. In der Ansage bemerkte Spreng zurecht, dass der „Verfallen“-Zyklus ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient hätte als es seinerzeit der Fall war, und die Reaktion des Publikums bewies dies ebenfalls. „Duett (Das Minnelied der Incubi)“ sorgte, angetrieben von Shir-Rans eindringlichem Violinspiel, für kollektives Mitklatschen der außer Rand und Band geratenen Zuschauerschaft, nur um im nächsten Song „Me“ die Rollen zu tauschen und die Band sich in einen Rausch spielen zu lassen. Gekrönt wurde die Stimmung vom direkt im Anschluss dargebotenen „Schwarzer Schmetterling“. Wäre das Theater nicht mit fest montierten Sesseln ausgestattet, hätte es spätestens hier die Leute zu wild herumhüpfender Tanzerei animiert. Den vorläufigen Höhepunkt fand die Stimmung im mit durchgetretenem Gaspedal performten „Wechselbalg“, das dynamisch und alles beherrschend noch einmal die Vollbedienung auf den Tisch bzw. Bühnenboden schmetterte, inklusive ekstatischen Harmonien von Flöte und Geige. Mit einem Mal war dann alles vorbei – Verbeugung, Abgang, Dunkelheit. Das Ende? Doch durch die bleierne Stille erhob sich ein Ruf, erst eine, dann viele Stimmen, und zusammen intonierten sie: „Heeeoooo!“. Die Folge? Gänsehaut und eine zurückkehrende Band, die es besinnlich werden ließ. Mit „O come, o come Emmanuel“ hatte man die ASPsche Interpretation eines klassischen Adventsliedes im Gepäck. Und ein letztes Mal lud Herr Spreng ein zum „Gothic-Schunkeln“, wie es wohl in grauer Vorzeit von der Band getauft worden war. Der ganze Saal schwankte kräftig nach links und rechts, vor und zurück beim einen denkwürdigen Abend beschließenden „The Mysterious Vanishing of the Foremar Family“. Als die Lichter im Saal aufflammten und die Magie erlosch, blieb bei den Anwesenden Trotz ein, zwei Längen im Songmaterial die Gewissheit (nicht zuletzt durch die 2-3 Deep Cuts aus dem Katalog der Band) einem einmaligen Schauspiel beigewohnt zu haben. Das seit einigen Monaten quer durch alle Musikmedien schimmernde Gothic-Revival kann kommen. Bitte mit ASP an vorderster Front!
(RH)
Setlist:
Was Du Dir Wünscht
Im Märchenland
20.000 Meilen
Tritons Fall
BernsteinmeerengeL
Tintakel
Die Untiefen
Krabat
Varieté Obscur
Stille Der Nacht
Wolfsspuren
Der volle Mond steht überm Wald (Spielbann “Cover”)
Das Reich des Einhorns (Herumor “Cover”)
Das Kollektiv
Duett (Das Minnelied der Incubi)
Me
Schwarzer Schmetterling
Wechselbalg
O Come O Come Emmanuel
The Mysterious Vanishing of the Foremar Family