Wenn an einem heißen und sonnigen Tag vor dem Theater am Aegi eine nahezu komplett in Schwarz gewandete Menge wartet, welche der vorbeieilende Beobachter auf den ersten Blick eher einem Metal- oder Goth-Konzert jedoch keiner Theatervorstellung zuordnen würde, dann muss da wohl etwas Besonders im Gange sein. So geschehen am Dienstagabend hier in Hannover mit dem Auftritt des Illusionisten Dan Sperry.
Im Saal des Gastspielhauses mischen sich unter die auffällige Menge an diesem Abend auch einige – rein optisch – klassische Theaterbesucher. Ein bunt gemischtes Publikum also. Solch eine Konstellation verspricht meist einen interessanten Abend. Auch das musikalische und visuelle Programm vor Showbeginn, ausgestrahlt von zwei Leinwänden, die die Bühne begrenzen, erhärtet diese Erwartung. Harte Klänge u.a. von Marylin Manson und Filmsequenzen, die gut in einer Stephen King Verfilmung Platz finden könnten, sorgen für die richtige Stimmung und machen neugierig.
Kurz nach 20 Uhr startet der 5-minütige Countdown zum Showstart. Die Vorstellung des amerikanischen Magiers ist an diesem Abend nicht ausverkauft, die Anwesenden werden aufgefordert, auch die vorderen Reihen zu besetzen. Der Countdown zeigt derweil noch 60 Sekunden als die Flucht nach vorne über die Sitzreihen hinweg durch die Zuschauerreihen geht. Pünktlich mit dem Countdown-Ende hat jeder Zuschauer seinen Platz gefunden und blickt gespannt auf die dunkle Bühne.
Laute Musik ertönt, Rauch wabert durch den Saal, Lichter unterstützen die surreale Atmosphäre, die so gar nicht zu den allgemein bekannten Zaubershows passen will. Auf der Bühne erhebt sich langsam ein Käfig mit Vorhang. Mit einem musikalischen Paukenschlag erscheint Dan Sperry auf magische Weise in den eben noch leeren Käfig. Ohne Zeit zu verlieren legt der Anti-Zauberkünstler („Anti-Conjuror“) mit einer rasanten Eröffnungsnummer los und lässt eine Schar Tauben nach und nach aus dem Nichts erscheinen. Klassische Magier-Utensilien wie Zauberstäbe und Tücher sind ihm dabei ebenso dienlich wie Dolche und Fächer um die kleinen weißen Vögel heraufzubeschwören.
Nach einem Kunststück inklusive Verschwinden und dem Auftauchen an einem völlig anderen Ort stimmt Dan Sperry sein fasziniertes Publikum auf den nächsten Part seiner Show ein. In einer herrlichen und teils skurrilen Mischung aus Englisch gepaart mit einigen deutschen Einwürfen in seinen Ansprachen und Erklärungen versteht es der Illusionist, sich zwischen Horror und Humor zu bewegen. Das Publikum bewegt sich stetig zwischen ungläubigem Staunen und herzhaftem Lachen. „Heute Abend teilen wir miteinander eines der wertvollsten Dinge, die wir besitzen – unsere Zeit. Diese muss gut genutzt werden“, erklärt Sperry und leitet über in einen Part mit dem Titel „Voodoo Magic“. In einer vom ihm inszenierten Voodoo-Zeremonie huldigt er einer aus dem Publikum auserwählten Voodoo-Hohepriesterin, die direkt im Zentrum seines irrwitzigen Humors und seiner kühnen Zaubertricks steht und so die Echtheit u.a. der auf ihren Einsatz wartenden Nägel – angekündigt als „Nine Inch Nails“ – prüfen darf.
Auf das Voodoo-Ritual folgt das Spiel mit den Ängsten der Zuschauer. Dazu gibt Dan Sperry eine kleine Anekdote aus seiner Kindheit zum Besten, die erklärt, wie er zur Magie kam und warum er als Kind zu Halloween als Mischung aus GI Joe und Barbie um die Häuser ziehen musste. Und wieder schwankt das Publikum zwischen Lachen und Staunen. Frei nach dem Motto „An apple a day keeps the doctor away“ dreht sich in diesem Teil der Show alles um einen Apfel gespickt mit Rasierklingen, die todesmutig vom Künstler verspeist werden. Guten Appetit!
Zur Einstimmung auf den bereits vorletzten Part der Show beweist Sperry seine Fingerfertigkeit bei einigen klassischen Kartentricks, um dann nochmals auf seine Anfänge als Magier zurückzukommen. In gekonnt witziger und selbstironischer Art und Weise stellt er, unterstützt von seiner liebreizenden Assistentin – einer Sportsocke – die Tricks seiner Kindheit nach. Das beliebte Entscheidungsspiel „Kopf oder Zahl“ wird im Anschluss an diese Reise in die Vergangenheit für eine der Zuschauerinnen auf der Bühne zu einer echten Herausforderung.
Auch für den Showabschluss holt sich der extravagante Künstler Unterstützung aus dem Publikum. Für seine sehr eigene und außergewöhnliche Interpretation eines „Spiels für die ganze Familie“ holte er sich Inspiration beim Russischen Roulette. Mit Spannung und Dramatik für Zuschauer und Beteiligte auf der Bühne ging dieser Abend – zum Glück ohne Verletzungen – zu Ende.
„Magic no longer sucks“ verspricht Dan Sperry in seiner aktuellen Tour und er hält sein Versprechen. Wer sich, wie ich, mit den altbewährten Größen der Magierwelt und deren oft übertriebenen und teils kitschigen Shows schwer tut, aber aufgeschlossen gegenüber frischem Wind unter dem angestaubten Zauberhut ist, der wird sich bei Dan Sperry und seiner doch sehr überspitzten Show höchstwahrscheinlich gut aufgehoben fühlen. Mit einem Mix aus pointierter (Situations-)Komik, gut inszenierten Schockmomenten und schneller Zauberei hat er das Hannoveraner Publikum gut aufgemischt und sicherlich nicht nur mich in seinen magischen Bann gezogen.
(VB)